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Eitelkeiten

Schon erstaunlich, wie empfindsam manche Seelen reagieren, wenn sie glauben, ihre Eitelkeit sei verletzt oder ihr Ego angekratzt. Erinnern wir uns etwa an den früheren Bündner Regierungsrat Otto Largiadèr (svp), keiner war so schön empfindsam wie er. Nachtragende Menschen sollten eigentlich ihre Memoiren schreiben, so lange sie sich noch erinnern können. Hätte er William Shakespeare gelesen, wäre ihm bewusst geworden: «Alle Beleidigungen, gnädigster Herr, kommen von Herzen.» In freudvoller Erinnerung etwa jene des Abgeordneten Schimun Vonmoos (sp), der ihm während der Ratsdebatte entgegenschleuderte: «Nehmen Sie den Hut, Herr Regierungsrat.» In der Aufregung hatten beide vergessen, dass sie schon lange Duzis waren. So galt den künftig für beide das Wort von Martin Luther: «Nichts wird langsamer vergessen als eine Beleidigung und nichts eher als eine Wohltat.» Eine Wohltat war es gewesen, als am 5. Dezember 1979 das Bundesparlament den Bündner Leon Schlumpf zum Bundesrat wählte und dieser entgegen der Weisung desselbigen Regierungsrates und Parteikollegen mit dem Bündner Fanzug nach Chur zurückreiste. Der volksnahe Felsberger Politiker erfreute sich am Jubel von Tausenden entlang der Wegstrecke, während der spätere «offizielle» Empfang zu einer tiefgefrorenen Alibiübung verkam. Die regierungsrätliche Beleidigung hielt noch Jahre lang an. Wenn es um die Pflege der Eitelkeit geht, werden sogar Benimmregeln gebrochen. Es war auch ein Regierungsrat, dem die Sitzordnung am Jahresessen nicht passte und der eigenhändig die Namensschilder austauschte. Die Kollegen beim Apéro staunten, als die protokollarisch ausgewogene Sitzordnung ausgerechnet vom damaligen freisinnigen Justizminister nach dessen eigenem Gusto umgestellt wurde. Die Eitelkeit ist bekanntlich die Mutter der Lüge, sagt das Sprichwort. Sind wir doch ehrlich, keiner kann sich der kleinen, alltäglichen Eitelkeit ganz entziehen. Das kann plump geschehen, etwa beim Kolumnen- Konterfei, das in Wahrheit schon zehn Jahre alt ist, oder dann, wenn man mit seinen Fremdsprachen-Kenntnissen trumpfen will. Wir denken dabei an Waldi Hartmann, in Chur wohnhafter Sportreporter, der sich auf französisch von den Fernsehzuschauern verabschieden wollte: «Guten Abend, meine Damen und Herren, und – bonne noir». Eben – wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf (Marie von Ebner-Eschenbach). Beleidigt war der ehemalige Churer Stadtschreiber nur einmal, als er seine Teilnahme an einer offiziellen Feier absagen musste und später erfuhr, wie erleichtert die Organisatoren waren. Sie konnten sich nämlich die Hälfte des Buffets sparen. Das Churer Rathaus erlebte schon ganz andere empfindsame Gemüter, etwa bei der 200-Jahr-Feier zur Kantonsverfassung im Jahre 2003. Entgegen aller Order, wonach die Poststrasse für jeglichen Verkehr zu sperren sei, beharrte der damalige Vizekanzler Achille Casanova darauf, mit einer Limousine bis vor die Ratshaustür gefahren zu werden, weil er nicht wie normale Leute, etwa National- und Ständeräte, die letzten 200 Meter zu Fuss gehen wollte. Der benutzte Fahrzeugtyp war genau so unvernünftig wie der Vizekanzler, denn Henry Ford sagte es einmal so: «Ein vernünftiges Auto soll seinen Besitzer überallhin transportieren – ausser auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten.» Vom Pech begünstigt ist der oberste SRG-Boss Armin Walpen (cvp), dem mit der Sala Walpen im neuen RTR Gebäude zu Lebzeiten ein Denkmal eingerichtet wurde. 200 Quadratmeter Ehrbezeugung für den Walliser, dem sauer aufstiess, dass nicht alle in Ehrfurcht erstarren. Der Kameramann, der das Schildchen Sala Walpen in spöttischer Grossaufnahme zeigte, wurde zwecks Massregelung zitiert und sogar Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre erhielt vom beleidigten Walpen einen schriftlichen Verweis. Der Schriftsteller John Knittel hat sich zum Thema schon abschliessend geäussert, als er noch lebte: «Mache dich nicht so wichtig – es gibt grössere Zwerge, als du einer bist.»

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