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Bedrohte Sprache

Da halten sie Maulaffen feil, treiben Schindluder statt sich magari um die schönen Wörter der deutschen Sprache zu kümmern, die vom Aussterben bedroht sind. Dabei wäre es so einfach, den herkömmlichen Redewendungen und raffinierten Wortschöpfungen wieder Leben einzuhauchen. Es bräuchte dafür kein Sprachengesetz, das demokratische Gepflogenheiten auf den Kopf stellt und einer Minderheit die Dominanz über die Mehrheit gibt. Nein, man muss die vom Aussterben bedrohten Begriffe nur anwenden, dann geht es mit ihnen von allein weiter.
Es gibt rote Listen für bedrohte Tiere, für bedrohte Pflanzen, gibt Schutzvereinigungen für alles Mögliche. Denn das Volk ist empfänglich für alles, was schutzwürdig ist. Das haben einmal Kantonsschüler in Chur bewiesen, als sie Unterschriften für eine Petition sammelten. Viele unterzeichneten das Begehren, dessen Inhalt sinngemäss wie folgt lautete: «Wir fordern den Schutz der Krokodile im Marmorerasee.» Auch wenn diese Krokodile immer wieder ahnungslose Hirsche fressen, die im See baden wollen, Krokodile sind nun einmal schützenswert. Hirsche haben wir genug. Statt einer Petition hätte man auch eine Initiative lancieren können, die notwendige Unterschriftenzahl wurde locker erreicht. Den Ausgang einer Volksabstimmung wagt niemand vorauszusagen.
Es gibt Minderheitenschutz, Denkmalschutz, Umweltschutz und gar einen Schutzpatron für die Schweiz. Letzterer heisst Niklaus von Flüe. Schon damals, bei der Heiligsprechung vor genau 60 Jahren, war Europa wichtiger als die Schweiz. Den offiziellen Gedenktag legte man auf den 25. September, obwohl Niklaus von Flüe seinen Todestag im aktuellen Monat, am 21. März genau, hätte. Dieser 21. März war leider schon belegt mit dem offiziellen Gedenktag ausgerechnet für den Patron Europas, Benedikt von Nursia. So hat sich die Schweiz mit ihrem Schutzpatron schon damals in vorauseilendem Gehorsam dem Europadiktat unterstellt. Sinnigerweise ist Niklaus von Flüe nicht nur der Schweizer Schutzpatron, er ist es auch für die Steueroase Obwalden. Mal schauen, ob es bei der aktuellen Steuerdiskussion zwischen EU und Schweiz etwas nützt. Wenn nicht, hilft ja immer noch Beten.
Aber, wir wollten ja über das Sterben der alten Redewendungen und Wörter schreiben und nicht über den Untergang der Schweizer Souveränität. Weil ersteres im Gegensatz zu letzterem noch verhindert werden kann. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und täglich werden ja neue Wörter geboren. Dass gleichzeitig alte sterben, ist hanebüchen und selbstredend für einen Rabulisten aus der Bagaschi der Schlawiner wie ein Schparz vor den Guggernüll. Das kann natürlich nur ein Churer mit Pellaröhrli-Wurzeln verstehen. Und genau darum geht es in diesem Heft: Um Goofa, Glünggis, Khamüffer und anderi huara Khöga, die noch wissen, wie sich ein echter Churer ausdrückt. Mit Nostalgie hat das nichts zu tun, schöne alte Ausdrücke sollen weiter bestehen. Irgend ein Tralaari hat zwar gesagt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schreck mit Ende. Für schöne Wörter sollte das nicht gelten. Die Frage stellt sich natürlich, ob bei uns zuerst die Ursprache oder die Bevölkerung ausstirbt. Nirgendwo werden so wenige Kinder auf die Welt gestellt wie bei uns. Die wenigen, die es noch gibt, sind als 12-jährige schon so übergewichtig, weil sie mit dem Rauchen aufgehört haben, dass sie unter dem Jahresmittel wegsterben. Ja, wer soll denn noch für die Erhaltung so wichtiger Ausdrücke wie Schrifti, Umajugga und Khamuff zuständig sein? Niklaus von Flüe, der ist nicht nur der falsch etikettierte Patron der Schweiz, er ist und bleibt Vorbild für die Familienpolitik. Nicht, weil er gläubig war, viel wichtiger: er hat zehn Kinder gezeugt.

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