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Hehler

Die Steuerverwaltung hat bekanntlich mehr Männer zu Lügnern gemacht als jede Ehe. Das kümmert die Steuerverwaltung aber keinen Deut, sie erwartet auch dieses Jahr, dass wir bis Ende Monat dieses ungeliebte Formular wahrheitsgemäss ausfüllen und zurückschicken. Das Wort Steuern leitet sich übrigens vom mittelalterlichen stiura ab, was so viel bedeutet wie Stütze, Pfeiler und Unterstützung. Damit gemeint ist der Staat. Von stiura abgeleitet wird offensichtlich auch das Wort stier, das in engem Zusammenhang steht mit dem Bezahlen des Obulus. Doch, doch, wir unterstützen gerne den Staat, solange er die Stütze braucht und sich nicht als Scheininvalider entpuppt. Wie heisst es so schön: Ehrlich währt am längsten und Lügen haben kurze Beine. Im Zusammenhang mit der Steuererklärung ist diese Erkenntnis absolut fehl am Platz. Was heisst schon kurze Beine? Lieber arm dran als Bein ab – will heissen: Unehrlich kommt man auf langen Beinen weiter. Die Steuerhinterzieher aus unserem Nachbarland haben inzwischen allerdings ganz andere Erfahrungen gemacht. Wer hätte aber auch geahnt, dass die Schlupflöcher in Fürstentum Liechtenstein nach beiden Seiten offen sind wie ein Schengentor – für Flüchtlinge wie für ihre Häscher. Vorne Schwarzgeldmillionen rein, hinten CD raus. Wobei CD in diesem Fall nicht Corps Diplomatique, sondern Corpus Delicti heisst. Den Christen ist aus dem Brief des Paulus an die Römer bekannt: «Gebt allen, was ihr ihnen zu geben schuldig seid: Steuer, wem Steuer; Zoll, wem Zoll; Furcht, wem Furcht; Ehre, wem Ehre gebührt.» Ja, wem gebührt eigentlich die Ehre im Liechtensteiner Datenklaugau? Ganz sicher nicht den deutschen Strafverfolgungsbehörden. Wer produziert denn eigentlich die vielen Steuerflüchtlinge, wenn nicht der Staat selbst? Gab er sich noch während Jahrhunderten mit dem Zehntel zufrieden, kennt die Fantasie für neue Steuern, Gebühren, Bussen und Abgaben keine Grenzen. Diese gesetzlich geregelte Abzockerei gipfelte in folgender Geschichte: Kommt ein Bürger zum Steueramt, am Schalter steht: «Geöffnet – wir bitten um Ihr Verständnis ». Der Bürger erkundigt sich beim Beamten, ob er drei Wochen Ferien beziehen kann. «Was fragen Sie uns, Sie sind ja gar nicht bei uns angestellt? » «Weshalb arbeite ich dann fünf Monate im Jahr nur für Sie?» Diesen Frust halten sich jene vom Leibe, denen das Liechtensteiner Stiftungsrecht näher liegt als der deutsche Fiskus, die halt lieber ihr Geld im Ausland und ihre Hände in Unschuld waschen. Für sie ist Steuerhinterziehung der strafbare Versuch, das staatliche Versprechen der Steuergerechtigkeit auf privater Basis zu realisieren. Strafbar aber bleibt sie doch. Wer konnte schon ahnen, dass die Geschichte auffliegt? Für das Fernsehen ein gefundenes Fressen mit dem Quotenrenner DSSS: Deutschland sucht den Supersünder. Das Fressen kommt stets vor der Moral. Gilt auch für den Staat. Oder ist Hehlerei nicht die wichtigste Anschlussstraftat an einen zuvor begangenen Diebstahl? Nehmen wir einmal an, die Diebe aus dem Bührle- Museum würden ihre geraubte Kunst – nicht zu verwechseln mit Raubkunst – einem Händler anbieten und der nimmt an. Er wird automatisch zum Hehler und macht sich strafbar. Die Daten über die Liechtensteiner Steuersünder wurden vom deutschen Bundesnachrichtendienst für Millionen einem Informanten abgekauft. Der Staat wurde zum Hehler und verwertet zudem fremde Geheimnisse, was ebenfalls strafbar ist. In diesem Fall gilt offenbar ein neuer Gesetzesartikel: Der Zweck heiligt die Mittel. In Grossbritannien ist alles umgekehrt. Dort kommen dem Staat laufend CDs mit sensiblen Daten abhanden. Die Engländer sind aber zu blöd, um daraus Kapital zu schlagen und ebenfalls ein paar Millionen zu verlangen.

Stefan Bühler

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