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Fräulein und Mohren

Nach dem Religionsunterricht bei «Fräulein» Ramser durften wir 10 Rappen einem kleinen Porzellan- «Neger» geben, der artig mit dem Kopf nickte. Weil es Sonntag war, gab es zu Hause einen «Mohrenkopf» zum Dessert. Erst viel später, in der Rekrutenschule dann, stellten wir erstmals fest, dass es eine sprachliche Political Correctness gibt. Fräulein, Neger und Mohr sind heute gesellschaftlich verpönt. Gleiches gilt für «gestampfte Juden», die aus der Speisekarte der Armee verschwanden. Der furchtbare Begriff hielt sich trotzdem weiterhin in der Armee. Im Jahre 1994 reichte Nationalrätin Ursula Hafner eine Anfrage ein: «Was tut der Bundesrat gegen den Gebrauch und die Weiterverbreitung rassistischer Ausdrücke (wie ‹gestampfte Juden› etc.) in unserer Armee? » Der Bundesrat tat, was man in solchen Fällen immer tun muss: er sorgte für Ersatz. Statt Neger oder Mohr heisst es heute korrekt Farbige. Diese werden (sprachlich) gleich behandelt wie die Farblosen. Zumindest an der Fussball- Euro. Der aus Zaire stammende Claude Makelele beging ein Foul (überliefert) und sagte zum Schiedsrichter (nicht überliefert): «Wir Schwarze müssen doch zusammenhalten. » Er bekam Gelb. Was sich einmal festgesetzt hat, lässt sich nicht so leicht aus der Welt verbannen. Das gilt leider auch für das Fräulein. Wie kann man sich heutzutage in einem Lokal korrekt bemerkbar machen? Ersatzweise leider nur mit lautem Rufen wie «Hallo» oder «Entschuldigung» kombiniert mit Fuchteln der Arme oder dem meist hilflosen Versuch zum direkten Augenkontakt. Die Emanzipation hat uns das Fräulein ausgeredet, lässt uns dafür sprachlos zurück. Käme es den Franzosen in den Sinn, die Mademoiselle abzuschaffen? Oder was ist, wenn es die englische Miss nicht mehr gibt? Das Ende der Miss Schweiz an sich wäre ja kein Verlust. Hingegen könnte man die Miss Rätia nicht einfach als Fräulein Rätia ausgeben, zumal es sich in diesem Fall um eine richtige Kuh handelt. Das wäre dann fast ein Fräuleinwunder, wie sie die in Deutschland stationierten GI’s noch kannten. Dabei begleitet uns das Fräulein ein Leben lang, nur dürfen wir es nicht mehr benutzen. Von Arthur Schnitzler lesen wir sein «Fräulein Else», von E.T.A. Hoffmann das «Fräulein von Scuderi», und erst 1992 wurde «Fräulein Smillas Gespür für Schnee» veröffentlicht. Ein Leben lang begleitet uns das Fräulein Rottenmeier aus Johanna Spyris Heidi. Als galante Anmache versuchte es der Doktor Faust mit Gretchen: «Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?» Gretchen lehnt ab: «Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehn.» Wie dem Fräulein geht es auch dem Neger und dem Mohren. «Es ging spazieren vor dem Tor, ein kohlpechrabenschwarzer Mohr», heisst es im Struwwelpeter. Unkorrekt heute genau so wie der «Mohrenkopf» oder «Negerkuss», wenn sie noch so süss schmecken. Überlebt haben immerhin der Mohr Monostatos aus der Zauberflöte von Mozart und Salieris Singspiel «Die Neger». Ansonsten gilt ein sprachliches «Mohratorium» frei nach Friedrich Schiller: «Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann kaum noch gehen». Sagt der Mohr, pardon, Spitzbube von Tunis. Es gibt sie also nicht mehr, die Fräuleins und die Mohren. Und trotzdem leben wir mit ihnen weiter. Bekannte Churer Bürgergeschlechter haben ihre Neger im Familienwappen, Mohr etwa (einstiger Churer Standespräsident) wie Moritzi (einst Churer Bürgermeister) und Mohr in Zernez wie Morell in Klosters kommen nicht ohne Mohr im Wappen aus. Wem sich jetzt die Frage nach dem Rassismusartikel stellt, der kann sich beim Beauftragten der deutschen Regierung für Menschenrechtsfragen erkundigen. Der hat seinen Sitz an der Mohrenstrasse in Berlin.

Stefan Bühler(-Moritzi)

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