Home Agenda Aktuelle Ausgabe Archiv Chur Tourismus Links

Korrektur

«Seit wann wählen wir einen Mister und eine Miss Schweiz, weil er oder sie Lese- oder gar Literaturhelden wären? Sie werden doch gewählt, weil sie gut aussehen und gut repräsentieren können.» Moritz Leuenbergers Worte in Gottes Ohr, herzig seine Unterstützung für den amtierenden leseschwachen Mister Schweiz André Reithebuch, der sich als gut aussehender funktionaler Analphabet geoutet hat. Tröstlich mag sein, dass er die Debatte um seine Leseschwäche mangels Lesestärke selbst gar nicht so recht mitbekommt. Tituliert wird Reithebuch gar als «hirnloser Schnösel», der nur ein Buch kennt. Jenes in seinem Namen, das ihm eine ganze Bibliothek erspart. Nein, Lese- und Schreibschwäche rechtfertigen die Häme nicht. Wenn jemand das Attribut Hirnlosigkeit verdient hat, dann schon eher die Organisation der Wahl zum Mister Schweiz. Ein Mister Schweiz muss gut repräsentieren, dieses Jahr als lese- und schreibschwache Nation. Berücksichtigt man noch die Qualitäten der Organisatoren, kommt Denkschwäche und Blindheit dazu. Leider kann dem amtierenden Mister Schweiz auch mit moderner Textverarbeitung am Computer nicht geholfen werden. Auch diese versagt meist, wenn es schwierig wird. Sie bietet deutsche Grammatik auf tiefem Niveau mit hohem Humorgehalt. Etwa das Korrekturprogramm von Microsoft Word: «Pornofilm» statt «Portfolio», «Kontrakthuren» anstelle «Kontrakturen» – automatische Korrekturprogramme sind Korrekturkomik, die einem die schönsten Texte versieben. Wenn der Bündner Grossrat Hans Telli zum «Trinker Telli» verbessert wird und die Kleiderfabrik Truns zu «Trunks» mutiert, dann befinden wir uns mitten in der automatischen Korrektur. Dagegen ist jeder Legastheniker ein Schriftgelehrter, jederzeit in der Lage, zwei Untervazer von zwei Vaterunser zu unterscheiden. Home-Office heisst das Programm, das sich selbst korrigiert und korrigierend vorschlägt, «Homo-Office, Hose- und Hode-Office» zu schreiben. Dafür kennt es den König der Weissen Arena ungefähr genau. «Reto Gärtner» heisst der, weil ein Gurtner softwaremässig genauso wenig aufgearbeitet ist wie der Familienname Hillenbrand, der zum «Höllenbrand » mutiert. Da sind dann auch die Trinker nicht mehr weit. Mit Namen werden die schönsten Blüten produziert. Wenn man Obama schreibt, wird in «Osama» korrigiert und wer tatsächlich Osama meint, der wird nach «Osaka» umgeleitet. Selbst die Kombination Barack Obama hilft nicht weiter, daraus wird flugs «Barock» oder «Baracke». Autokorrektur-Software erteilen dann schon einmal eine «Schuft-Auskunft », wenn sie Vorschläge bringen wie «Mist-Gesetz», «Onanier-Orden» oder «Sarg-Taste». Selbst der bloggende Moritz wird nicht verschont. Er zappte ja nur durch das Programm, richtigerweise erkennt die Korrektur unseren Medienminister in seiner ganzen Persönlichkeit: Es schlägt ihm vor zu «zappeln». Gewisses Verständnis gebietet sich bei ungewohnten Redewendungen, wenn aus der Stinger-Rakete eine «Stinker-Rakete» wird und aus dem lateinischen Curia halt «Curie», die Rätusbrücke zur «Ritusbrücke» wechselt und ganz allgemein die Räter- Romanen als «Räder-Romanen» korrigiert werden. Solange es die Räter nicht gibt, haben wir ja Korrekturvorschläge von «Roter, Rater bis Rüter». Nicht auszudenken, hätte Johann Wolfgang von Goethe über ein Korrekturprogramm verfügt. Sein «Gretchen am Spinnrade» wäre durchgefallen. Der 17-jährige Franz Schubert hätte es nicht vertonen können und das Lied «Meine Ruh’ ist hin,/Mein Herz ist schwer,/Ich finde sie nimmer/ Und nimmermehr» hätte kein Korrekturprogramm überlebt. Genauso wenig wie «Marmor, Stein und Eisen bricht». Brechen wäre richtig, sagt die Korrektursoftware, die selbst als organisiertes Erbrechen verboten gehört.

Stefan Bühler

zurück