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Kranke Prämien

Ob wir lange leben und dabei gesund bleiben? Wir wissen es nicht, ganz im Gegensatz zur freundlichen Dame am Telefon, die uns gesundheitspolitisch auf Kurs bringen will. Sie verspricht zwar auch kein ewiges Leben, Gott bewahre, aber billigere Prämien für die Krankenkasse. Wenn wir uns nur schnell genug zum Wechsel entschliessen. Wir sollten dieses System der Werbung schon etwas hinterfragen. Warum eigentlich müssen wir uns als potenzielle Kassenmutanten tot sparen, während die Krankenkassen ihre Paläste an bester Lage betreiben und repräsentative Schalterhallen sowie Rampen für Grossratsgebäude bauen? Kassen gibt es, die finanzieren mit unseren Prämiengeldern Golfanlässe, schütten ihre Manna über die Fussballtrikots der Young Boys und treten als TV-Sponsor bei Hockeyanlässen auf. Verschwendete Prämiengelder, wohin man schaut. Aber das bekommt die wahrscheinlich nette nervige Dame am Telefon gar nicht mehr mit, der Hörer ist schon längst wieder in seiner Ruheposition. Wenn heute an jemandem gespart wird, dann am Patienten. Seine Eigenverantwortung kann dieser wahrnehmen, indem er die Franchise so hoch wie durchschnittliche Arztrechnungen schraubt und schwere Krankheiten auf Januar, April, Juli und Oktober verlegt. Keineswegs aber mit einem Kassenwechsel. Wo das Sparpotenzial liegt, konnte bisher nämlich keiner erklären. Als Erstklass-Patient hat man offiziell keine Sonderrechte, allerdings kann man sich gewisse Rechte herausnehmen. Etwa im Spital, wo es Behandlung vom Chefarzt gibt, ein Einzelzimmer und weitgehend garantiertes Aufwachen aus der Vollnarkose. Allerdings nur dann, wenn man ein Leben lang Prämien als Privatpatient bezahlt hat, die man sich dann im Alter, wenn der «return on investment » winkt, nicht mehr leisten kann. Privatpatienten leben nicht gesünder, haben es aber besser. Wenn sie zudem über weitere Vorteile verfügen, wie es der Kassensturz des Schweizer Fernsehens verbotenerweise mit versteckter Kamera aufdeckte, erst recht. Harald Schmidt hat das richtig erkannt: Die Unterscheidung von arm und reich im Gesundheitswesen ist Quatsch. Schon mal beobachtet, wie einer 22-Jährigen mit Schnupfen stundenlang die Brüste abgetastet werden, während gleichzeitig der Heimwerker Ende 60 zusammengestaucht wird, nur weil er die abgetrennte Hand nicht gleich bei der Anmeldung vorgelegt hat? Den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, läutet schon wieder das Telefon. Keine Zeit mehr, zu einem Nervenarzt zu wechseln, die Dame will wissen, weshalb man mehr Prämien zahlt als notwendig. Wir wollen das jedenfalls nicht wissen und greifen auf eine der beiden Strategien zurück, die sich als wirksam erwiesen haben. Beide sind unanständig. Methode Notwehr: Hörer auflegen. Methode Gegenargument: Funktioniert meist bei Weinverkäufern («Ich bin Präsident des Blauen Kreuzes»), Anlageberatern («Musste gerade letzte Woche die Bilanz deponieren») und bei Angeboten für eine Probefahrt («Habe mich in der Kneipe der Mitternacht entgegengesoffen, bin seit heute mein Billett los»). Muss ja nicht immer alles stimmen, könnte aber so gewesen sein. Beim Angebot auf einen Wechsel der Krankenkasse genügt ebenfalls ein einfacher argumentativer Trick: «Wenn Ihre Kasse die Behandlung der mörderischen Refluxösophagitis im Programm hat, wechsle ich zu Ihnen». Dass man Sodbrennen auch mittels Enthaltsamkeit von Alkohol und Tabak zum Verschwinden bringt, muss die Kassenverkäuferin nicht wissen. Dank einer natürlichen Begabung zur Dummheit schlucken wir die jährliche Prämienerhöhung sowie alles, was das Grundangebot an Wässerliund Kügelitherapie so hergibt. Auch dies ein demokratisch legitimierter Beitrag zur Prämiensteigerung. Der Prämienschub ist schon da, diese Begabung lassen wir uns nicht nehmen.

Stefan Bühler

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