Home Agenda Aktuelle Ausgabe Archiv Chur Tourismus Links

Flasche leer

«Wenn es so weitergeht mit dem Alkoholkonsum in der Schweiz, tritt bald einmal der Trapattoni-Effekt ein: Flasche leer. Die Statistiker des Bundes teilen uns nämlich mit, dass die Schweizer Bevölkerung immer weniger Alkohol konsumiert. Letztes Jahr betrug der Pro-Kopf-Konsum noch 8,6 Liter reinen Alkohol, vor 20 Jahren waren es noch 10,8 Liter. Da spendet die Leber nur mehr beschränkt Applaus, immerhin entspricht der Rückgang einem Minus von 10 Flaschen Wein pro Jahr und Kehle. Vergleichbar also mit dem Bedarf eines jugendlichen Komasäufers an einem Wochenende. Die Frage stellt sich natürlich, wer diesen Rückgang zu verantworten hat und was wir dagegen tun können. Am christlichen Wohlverhalten kann es nicht liegen, solange wir uns an den Psalm 104 halten: «Der Wein erfreue des Menschen Herz». Das Wort Wein taucht in der Bibel fast 200 Mal auf. Wollte Gott, dass wir nur Wasser trinken, hätte er wohl kaum 97 % davon versalzen und uns nur 2,6 % Süsswasser gelassen. Ursachenforschung zum rückläufigen Alkoholkonsum ist angesagt. An der Promillegrenze für Autofahrer wird es kaum liegen, die gibt es schon seit Ewigkeiten. Wegen Trunkenheit am Steuer wurde der Londoner Taxifahrer George Smith als erster Europäer im Jahre 1897 verurteilt. Inzwischen sind ganze Heerscharen mit dem Problem Fiaz konfrontiert. Deshalb: Kein Alkohol am Steuer – ein Schlagloch, und man verschüttet alles. Trotz rückläufiger Entwicklung gibt eine kleine Meldung in diesen Tagen Anlass zu Hoffnung. Es gibt neu auch Energy Drinks für Kinder. Natürlich ohne Koffein und Taurin, als Einstiegsdroge fürs spätere Saufgelage damit nur beschränkt tauglich. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang, dass die Kids sich früh an den Ausdruck Energy Drink gewöhnen, jedenfalls bevor sie das 12. Altersjahr erreicht haben und auf hochprozentige Muntermacher umsteigen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie erwischt werden – rot wird heute kein Jugendlicher mehr, nur weil er blau ist. In der Primarschule ist kreativer Unterricht angesagt. Möglich ist das natürlich nur vormittags während der Wachphase, nachmittags schränken die ersten Alkopops die Aufnahmefähigkeit erwiesenermassen ein. Beispiel Geographie: Warum trinkt der Russe Wodka, der Schotte Whisky, der Franzose Wein und der Deutsche Bier? Aus pädagogischen Gründen, damit wir die einzelnen Völker an ihrer Fahne erkennen. Solche Eselsleitern gilt es zu nutzen. Auch in der Deutschstunde überbieten sich die Möglichkeiten, denken wir nur an unsere einheimischen Theaterregisseure. Wie viel Alkohol darf ein Theatermacher trinken, bis er auf 0,5 Promille kommt? In der Regel lautet die Antwort: Zwei Wochen bis zur Premiere keinen. Oder mit dichterischen Worten formuliert (war es Hölderlin?): Süsses flehen, leichtes hoffen, kann nicht kommen, bin besoffen. Dabei befinden sich Theaterregisseure im Einklang mit der ganzen Literaturszene. Friedrich Nietzsche wusste es: «Durch Alkohol bringt man sich auf die Stufen der Kultur zurück, die man überwunden hat.» Die Literaten kümmerte es nicht. Es soffen Allen Poe, E.T.A. Hoffmann, Goethe war ein Genusstrinker und Gottfried Keller verprügelte hackedicht einen Juristen während des Winterthurer Freischiessens. Es tranken die Literatur-Nobelpreisträger Eugene O’Neill, Ernest Hemingway, Thomas Mann und sogar Hermann Hesse. Angeschlossen hat sich ihnen als Trinker, nicht als Preisträger, Johannes Mario Simmel. Der Bundesrat will nun Gegensteuer geben. So schlägt er im Rahmen der Totalrevision des Alkoholgesetzes vor, die Gratisabgabe von Alkohol zu verbieten. Das trägt dann dazu bei, die rückläufige Statistik zu stabilisieren. Vergebens soll keiner saufen müssen. Darauf sollten wir anstossen. Ich habe fertig.»

Stefan Bühler

zurück