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Sportreporter

Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis Sportjournalisten durch Roboter ersetzt werden. Es kündigt sich nämlich das Ende eines Berufsstandes an. Das hat er sich allerdings selbst zuzuschreiben, weil Sportreporter ihre sprachlichen Grundkenntnisse vernachlässigen und dann gezwungenermassen immer wieder auf die gleichen Formulierungen zurückgreifen. Ihre Fantasie beschränkt sich zumeist darauf, die Rapperswiler Rosenstädter, die Basler Bebbis und die Berner Mutzen zu nennen. Alle anderen Formulierungen in den Sportreportagen sind austauschbar. Zu dieser Feststellung gelangt jetzt eine Statistikfirma in den USA, die im Sommer ein Computerprogramm veröffentlicht, das mit Hilfe von Algorithmen und Textbausteinen automatisch Sportberichte formuliert. Die Sprache im Sportjournalismus ist nämlich dermassen standardisiert und auf Zahlen und Ergebnisse fixiert, dass sie bereits jetzt als Robotertext wahrgenommen wird.
Schade eigentlich, die Zunft hat doch wahre Legenden hervorgebracht. Wer den Bergeller Vico Rigassi erleben konnte, wie er gleichzeitig deutsch, italienisch und französisch Radrennen kommentierte, vergisst das nie. Damit schaffte es Rigassi ins Historische Lexikon der Schweiz, heutige Sportjournalisten sucht man da vergebens. Sprüche wie «Fussball ist wie Schach, nur ohne Würfel» rechtfertigen noch keinen Eintrag. Rigassi, Sepp Renggli, Hans Jucker oder Karl Erb jedenfalls könnten nicht durch Roboter ersetzt werden. Der kann nämlich dann nicht von sich behaupten, dass er kein «Brett vor den Mund nimmt» oder beim Springreiten meint: «Die sitzt fett im Sattel.»
Überhaupt die Versprecher. Auf diese Höhepunkte journalistischen Schaffens müssen wir wohl verzichten, wenn der Roboter Einzug hält. Dabei gehören doch die «Versprecher ins Gefängnis», wie der deutsche Sportreporter Werner Hansch zu Recht festhielt, als er sagte: «Das war wieder mal ein schöner Verbrecher.» Und der österreichische Sportkommentator Robert Seeger hat mit der Sammlung der Versprecher erst aufgedeckt, was für Unsinn da über den Äther geht. «Die reizt nicht mit ihren Geizen», «seid unberuhigt » und «er möchte reinen Tisch einschenken » sind noch von der harmlosen Sorte. «Bierisch ernst» wird es erst, wenn der «Hansdampf in allen Tassen» zum Kollegen sagt: «Gib mir noch einen Schluck von deiner Zigarette.»
Dabei gab und gibt es durchaus Sportjournalisten, die in aussergewöhnlichen Situationen über sich hinauswachsen. «Die Treu vom Spreizen» erkennt man dann, wenn sich die Spreu vom Weizen trennt. Etwa bei den Olympischen Spielen 1972 in München, als es zu einem palästinensischen Anschlag auf die israelische Delegation kam und die Politik den Sport ins Abseits drängte. Wenigen Reportern gelang es damals, ihre martialische Sprache aus der Sportberichterstattung in angemessene Politreportagen einzubringen, die meisten Medien mussten ihre Auslandkorrespondenten an die Spiele entsenden.
Nun denn, immer sind es nicht die Reporter, die beim Verschnorren am liebsten ins «Grab beissen» möchten, wenn sie wieder einmal festgestellt haben: «Ich sehe schon, ich lande keinen Blumentopf.» Auch ihre Gegenüber halten sich ungern zurück. Berti Vogts schlägt mit «gleicher Münze zurück», als er im Interview sagte: «Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.»
Nun aber ist es ein «absolutes Novikum » (Werner Hansch), wenn Roboter Textbausteine zu Sportberichten zusammenfügen, auch wenn das programmtechnisch nicht schwierig ist, solange das Déjà-vu im Sport vorherrscht. Der Präsident des EHC Chur heisst immer wieder gleich und der Schweizer Eishockey-Meister auch. Das sind «Probleme wie du und ich» für einen lokalen Sportreporter, dessen Vorteil es ist: Er benötigt keinen Roboter, er kann immer wieder auf seine eigenen Textbausteine zurückgreifen.

Stefan Bühler

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