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Nach dem Gehör

Es gibt Autofahrer, die parkieren nach dem Gehör. Andere richten sich beim Schreiben danach. Die Trefferquote ist in etwa gleich hoch. Seit Schreibschriftschreiben kein Pflichtfach mehr in der Schule ist, lässt sich ein Trend erkennen: Politiker und Beamte geben sich alle Mühe, die Sprache zu verkomplizieren, während im Alltag genau das Gegenteil praktiziert wird. Die Vereinfachung der Sprache treibt dann die seltsamsten Blüten. Einsilbiges ist vor allem beim Simsen gefragt. Tolle Frise, flotte Schreibe und zu Hause eine Putze - warum zweisilbig, wenn es einfacher auch geht?
Nun aber kommt die Quittung für alle Sprachfrevler, die verlernt haben, was sie ohnehin nie wussten. Eine Analyse des Google-Verhaltens lässt uns erröten. Fest steht nämlich, dass ausgerechnet die Bündner weitaus am meisten Schreibfehler begehen.
Internetnutzer aus dem einzigen dreisprachigen Kanton mit den meisten Zweitwohnungen werden bei der Erstsprache einsilbig. Sie vertippen sich nämlich am häufigsten. Naheliegend der Verdacht, dass in den Bergen besonders oft nach Gehör geschrieben wird. Auch und gerade von Erwachsenen. Einem Kind kann man es verzeihen, wenn es falsch Verstandenes genauso falsch zu Papier bringt. Im Churer Maiensässlied erschallt ein «Unsre Augen tschauen, tschauen» einfach prägnanter und wird dann halt auch so geschrieben. Schliesslich passiert das auch im Lande Goethes, dessen Nationalhymne mit dem Schlusschor von Beethovens «Neunter» zwar lautet: «Alle Menschen werden Brüder». Von den Jugendlichen zumeist aber missverstanden wird als «Alle Menschen werden prüder».
Google verzeiht manches, vor allem die immer gleichen Tippfehler. Wie gesagt: Die meisten kommen aus Graubünden. Landesweiter Spitzenreiter ist mit 40000 Fehlsuchen pro Monat «Lybien» statt «Libyen», auf Platz zwei folgt mit 12100 Vertippern der Standardfehler «Standart» statt «Standard». Aber auch «Bisquit» statt «Biskuit», «Reperatur» statt «Reparatur» und «entlich» statt «endlich» rangieren weit vorne. Wo Lehrer nicht mehr korrigieren, springt Google ein und verbessert automatisch. Weshalb also noch richtiges Deutsch lernen? Machen wir es wie der Zigeunerbaron, der zugibt: «Ja, das Schreiben und das Lesen, ist nie mein Fach gewesen. Denn schon von Kindesbeinen, befasst' ich mich mit Schweinen.»
Political Correctness jedenfalls lässt übrigens das Wort Zigeunerbaron gar nicht mehr zu, genauso wenig wie das Zigeunerschnitzel und den Mohrenkopf. «Herr Ober, ich hätte gern ein Zigeunerschnitzel!»? «Sinti oder Roma?», fragt der korrekte Kellner.
Sicher, auch für die Kuhschweizer sind die Zeiten vorbei, wo die Deutschen noch Sauschwaben und die Italiener Tschinggen waren. Da hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Als Nächstes nimmt er sich der Schwarzfahrer an.
Auch die österreicher wollen dem nicht nachstehen, fordert doch die Bundeswirtschaftskammer von den Gaststätten allen Ernstes, «diskriminierende Bezeichnungen» von den Speisekarten zu verbannen. Vorbei ist es mit Frankfurter Würstchen, Hamburgern und Berlinern, selbst wenn man alle zum Fressen gern hat. Das gleiche Schicksal blüht den Nonnenfürzchen und den Buabaspitzla in Deutschland.
Lustig ist das Zigeunerleben schon lange nicht mehr, Martin Walser hat davor gewarnt, dass der Terror der Political Correctness die freie Rede «zum halsbrecherischen Risiko» macht. Die Suche nach der politisch korrekten Schreibweise ist längst schon eine Gratwanderung, die richtige Schreibweise hingegen reine Gehörsache. Darum steht auch auf einem Aushang beim Dönerstand hinter dem Globus «Fleischdekleration». Entspricht sowohl den Vorgaben der Lebensmittelverordnung wie auch dem Gehör. Und der Dürüm schmeckt erst noch.

Stefan Bühler