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Sprachblütenzeit

«Döner-Morde» ist das Unwort des Jahres 2011. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Türkische seinen Einzug in die deutsche Sprache längst geschafft hat. Immer mehr Wörter enthalten unzählige ü und ö, manchmal mehr als nötig. Etwa die Anschrift «Gülühwein» oder das Hinweisschild «Gümüse», zwei Beispiele, die das belegen. Lange wird es nicht mehr dauern, bis die Pampers auf neudeutsch mit «Güllehülle» angeschrieben werden. Dabei haben wir diese Fremdspracheninfiltrierung doch gar nicht nötig, die deutsche Sprache bietet selbst schon genügend Stolpersteine. Sogar in ehrenwerten Theaterhäusern und Schulbüchern, die eigentlich besonders Wert auf gutes Deutsch legen müssten, finden sich die seltsamsten Redewendungen. So wird in einem Schulbuch der Popstar der Weltliteratur mit einem seiner wichtigsten Werke wie folgt zitiert: «Hermann Hesse, Der Suppenwolf». Da kommt einem unweigerlich der neuste Coup von Militärminister Ueli Maurer in den Sinn. Der passionierte Radfahrer und ehemalige Major eines Radfahrer-Bataillons hat beim Hersteller Simpel 2800 neue Velos für die Armee und bei den Schweden neue Kampfjets bestellt. Selbst testen kann er den Gripen nicht, wohl aber den Simpel. Prompt hat er sich dabei auf der Fahrt ins Büro mit dem «Velo 12» auch eine Grippe geholt. Der Sattel der neuen Waffe, welche das Gleichgewicht der Kräfte in Europa nachhaltig verschieben wird, ist nämlich nicht ganz dicht. Statt Wasser abzustossen saugt er dieses auf. Hier käme dann der Suppenwolf von Hermann Hesse ins Spiel, würde er nicht Steppenwolf heissen. Wer vom neuen Armeevelo beim ersten Regen den Wolf bekommt, hat sich die Suppe redlich verdient. Das kann ja Eiter werden, sagte sich auch das Hamburger Theater, als es im Spielplan aufführte: «Der Schimmeleiter» von Theodor Strom. Einen Bezug zu Ueli Maurers nassem Velosattel ist reiner Zufall. Lassen wir uns den Tag durch Schreibfehler nicht verderben, im Gegenteil. Wenn auf Ebay ein Soundtrack wie beim «Polstergeist» angeboten, der Schlöndorff-Film über die Günter- Grass-Verfilmung mit «Brechtrommel» angepriesen und in der Kleinanzeige ein «Konzertgeflügel» angeboten werden, dann, ja dann sind wir im Reich der Tippfehler. Dass auch noch das «Knöchelverzeichnis» erwähnt wird, trägt zur Stilblütenwürze bei. In der Welt der Musik wird man übrigens meist fündig, kaum ein Programmheft, das uns nicht neue Perspektiven eröffnet. So wird etwa in die Staatsoper Hamburg zum «Weihnachtsobservatorium- Ballett» eingeladen. Ob Musiker und Tänzer noch mit dem Operngucker zu erkennen sind oder man gleich zum Teleskop greifen muss, ist nicht überliefert. Dafür aber der Zeitungshinweis zur Aufführung von Gia como Puccinis «Toscana». So ganz falsch ist das natürlich nicht, wenngleich wir als Oper «Tosca» und die Toscana als Landschaft bevorzugen. Immerhin - wer schon einmal im Geburtshaus von Puccini in Lucca war und in Torre del Lago seine spätere Wirkungsstätte besuchte, der ist schon mitten in der Toscana. Die schöne Tosca allerdings lebte, tötete und starb in Rom. Am schönsten allerdings ist der unfreiwillige sprachliche Humor dann, wenn er in einer Todesanzeige daherkommt. Etwa im «Bündner Tagblatt», wo der Verstorbene unter anderem geehrt wurde mit dem Hinweis: «Er hat uns ...genervt.» An und für sich nichts Lustiges, zum Schmunzeln ist aber die Mail-Adresse, bei der man sich an die Beisetzung im Wald anmelden kann: «...@whole-in-one.ch». Kennt man sonst nur beim Golfen als Hole-in-one, eignet sich aber offensichtlich auch für die letzte Ruhe. Eine Ruhe, die auch der Ilanzer Dominikanerin zu gönnen ist, die tun wollte, «was Gott mit ihr vorhatte». «Dies stand nicht immer klar vor ihren Augen und gab deshalb im Zusammenleben auch Probleme.» Nach dem Hole-in-one dürfte sich auch dieses Problem erledigt haben.

Stefan Bühler

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