The same procedure
«The same procedure as every year!...» nicht nur bei den Ausstrahlungen der Fernsehstationen zum Jahreswechsel. Ein Grossteil der Menschheit ist davon betroffen. Es geht um die guten Vorsätze der Raucher, Nichtsportler, Zeitverschwender und übergewichtigen. Es ist ein Ritual, dessen Zweck darin besteht, das neue Jahr zuversichtlich einzuläuten, um dann zur Erkenntnis zu gelangen, dass sowieso nichts ändert, solange das Schicksal vorbestimmt ist. Nicht einmal auf den Weltuntergang ist mehr Verlass, wir tun einfach so, als wäre nichts geschehen.
Der Irrtum, sich selbst mit guten Vorsätzen unter Druck zu setzen, kann mühelos ersetzt werden mit der Aussichtslosigkeit, bei anderen Taten zu sehen. Wie heisst es so schön bei Faust: «Ein grosser Vorsatz scheint im Anfang toll.ä
Jedes Land feiert den Jahreswechsel etwas anders, dabei könnten wir durchaus noch etwas lernen. In der chinesischen Welt wird vor Beginn des Neujahrsfestes die Wohnung mit Bambuszweigen sauber gemacht - um die bösen Geister zu vertreiben. Eine Aktion Bambuszweige für manche Restaurants in der Gegend wäre auch nicht schlecht. Denn was nützt uns das jahrhundertealte Reinheitsgebot für Bier, solange es nicht auch für die Gläser gilt.
Andere Länder, andere Unsitten. Schon wenige Tage nach Weihnachten in der Schweiz erfreuen sich Langfingerfamilien in manchen osteuropäischen Ländern an der Bescherung.
Männer wissen in der Regel schon sehr früh, wie sie den Jahreswechsel feiern. Was viele Frauen ärgert, wenn die Männer an Silvester plötzlich zwei Stunden am Stück knallen können, und das bei minus 20 Grad. Der Jahreswechsel ist bestens geeignet zu arithmetischen Spielereien. Julius Cäsar legte 45 Jahre vor Chris ti Geburt den Beginn des Jahres vom 1. März auf den 1. Januar. Gleichzeitig wurde den einzelnen Monaten eine bestimmte Anzahl von Tagen zugeordnet und für jeweils vier Jahre ein sogenannter Schalttag eingefügt, um den Kalender mit dem rund 365 Tage dauernden Sonnenjahr in Einklang zu bringen. Die durchschnittliche Dauer eines Jahres nach dem Julianischen Kalender war allerdings mehr als elf Minuten länger als das Sonnenjahr. So betrug die Differenz zwischen Kalender und Sonnenjahr nach 128 Jahren bereits einen Tag. Papst Gregor XIII. glich diesen Fehler aus: In 400 Jahren sollten dreimal die Schalttage entfallen.
Der heutige Papst hat Zeit, sich um die wesentlichen Fragen des Lebens zu kümmern. Denn der Heilige Stuhl hat Twitter entdeckt! Der übergang von der lateinischen Messe ins Twitterzeitalter der Social Media kann als gelungen bezeichnet werden. Die 10 Gebote benötigen nämlich immer noch 279 Wörter, die Unabhängigkeitserklärung der USA 300 Wörter und die EUVerordnung über den Import von KaramelBonbon benötigt 25 911 Wörter. Da sind die 140 Zeichen, die dem Papst beim Twittern zur Verfügung stehen, eine Wohltat. So kurz angebunden war noch keiner der 306 Päpste (die 31 Gegenpäpste mitgezählt) vor Benedikt. Früher verstand man nichts, konnte aber staunen, heute staunt man, weil kein Mensch den Unsinn versteht. Doch das World Wide Web eröffnet der katholischen Kirche neue Wege, es lässt sich nämlich barrierefrei programmieren.
Ein neues Jahr beginnt - the same procedure. Ausser, dass wir mit Sicherheit beim nächsten Geburtstag ein Jahr älter geworden sind. Oder wie kürzlich eine Dame von der Bank sagte, als wir nachfragten, weshalb die PinCodeKarte nicht mehr funktioniere: «Schauen Sie auf Ihrer Hinterseite, ob Sie ein Ablaufdatum haben.ä So genau möchte das eigentlich niemand wissen. Denn auch nach Ablauf des alten Jahres gilt das BrechtZitat: «Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offenä.
Stefan Bühler