Es
schränzt und tschätteret in Chur
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Fasnacht in
Chur, vom 12. Februar bis Aschermittwochmorgen: der absolute Höhepunkt im Monat Hornung.
Masken, Kostüme und Umzugswagen stehen bereit, entlarvende Reime sind geschrieben und die
Guggen-Proben abgeschlossen. Die fünf schönsten Tage im Jahr, mit Schränzen,
Tschättern, Gösseln und Narrentreiben in den Gassen und Beizen locken Fasnächtler aus
der ganzen Schweiz nach Chur.
Es hat nur wenig gebraucht, und die Churer Fasnacht wäre vor rund 25 Jahren
sang- und klanglos aus den stätdischen Unterhaltungstraktanden verschwunden. Dank einer
kleinen Schar infizierter ChurerInnen, die sich in der «Margrittli-Kligga» 1975
zusammengeschlossen haben, konnte das Virus konserviert und Jahr für Jahr mit Erfolg und
in immer grösseren Mengen über die Churer Bevölkerung gestreut werden. Die diesjährige
Epidemie bricht am 6. Februar beim Kostümeröffnungsball im Hotel Drei Könige aus. Wer,
aufgeschreckt von den ersten Krankheitsvorboten, nicht die Stadt fluchtartig verlässt,
läuft Gefahr, erst am Aschermittwoch wieder auf die Genesungsstrasse zurückkehren zu
können. So ist das eben an der Churer Fasnacht. |
Auftakt mit
Ordensverleihung
Der eigentliche
Paukenschlag zur Fasnacht 1999 erfolgt am Freitag, 12. Februar, um 20.00 Uhr im Hotel
«Drei Könige».
Während draussen die Guggen in die Stadt einziehen, kann drinnen jedermann der Zeremonie
um die Verleihung des diesjährigen «Schparzordens» beiwohnen (siehe Seite 7). Guggen
wie «Sparniffels», «Mühlbachfätzer», «Pölla-Röhrli» usw. stellen in der Folge
die Statik des Saalbodens auf die Probe und das bereits in der ersten Fas-nachtsnacht.
Natürlich dehnt sich die Fasnachts-Ouvertüre nicht nur über die ganze Nacht, sondern
auch über die ganze Stadt aus. Kaum eine Gasse und kaum eine Beiz bleibt zu spä- ter
Freitagsstunde von Schränzen und Tschättern verschont .
Höhepunkt
Umzug
Zwei Sachen seien
den Zaungästen des Fasnachtsumzuges vom Samstag ans Herz gelegt. Er- stens: Vor
Entzückung laut aufschreien und bei allen 57 Kliggen und Guggen kräftig mit den Händen
klatschen ist erlaubt und kann nicht geahndet werden, denn die «Tschugger» haben alle
Hände voll zu tun, damit die Arosa-Bahn ihre traditionelle Bresche in die Narren-Demo
schlagen kann. Sie kreuzt nämlich am Obertor den Umzug, zur Freude der Fahrgäste.
Zweitens: Es ist Ehrensache, dass die rund zweistündige Openair-Unterhaltung in der
Churer Innenstadt von allen mit dem Kauf der Fasnachtsplakette abgegolten wird.
Einen weiteren Höhepunkt erreicht die Fieberkurve in der Nacht vom Samstag auf den
Sonntag. Wer die Altstadt in diesen Stunden noch nie erlebt hat, muss das ultimativ in
diesem Jahr nachholen: Schränzende Guggen, «südamerikanische» Steel-Bands, Trommler
und Pfeifer ziehen durch die Gassen, lassen die Rathaushalle, den Ochsenplatz oder den
Martinsplatz erbeben und auf dem Postplatz den Verkehr zum Erliegen kommen, Scharen von
Maskierten jeden Alters tanzen zu den schön-schrägen Tönen, drängen in die Beizen und
Ball-Säle, wo Hitze, Fröhlichkeit und fasnächtlicher Lärm die Karneval-Stimmung noch
anheizen. Mit Genugtuung stellt Jack Taisch, Präsident der Fasnachtsgesellschaft fest,
dass der Narrenboom nach wie vor anhält: «Und die Anfragen von Guggenmusiken aus dem
Unterland, in den Gassen von Chur ihr Bestes geben zu dürfen, steigt von Jahr zu Jahr».
Der Grund dafür liege darin, dass in Chur eine wirkliche Openair-Fasnacht in der ganzen
Stadt zu finden sei. «Hier können die Musikanten frei durch die Strassen, Gassen und
über Plätze ziehen und sich allen Fasnächtlern und Besuchern präsentieren».
Schnitzelbänke in fast
allen Lokalen
Nicht mehr
wegzudenken aus den närrischen Tagen von Chur ist der Montagabend. Über ein Dutzend
Schnitzelbank-Formationen namens «Brambüeler», «Nöck vom Obertor», «Funistinker»
usw. ziehen bis spät in die Nacht hinein von Lokal zu Lokal und decken schonungslos auf,
was Personen aus dem öffentlichen und versteckten Leben im vergangen Jahr in Chur und
anderswo geleistet haben. Neben spontanen Auftritten
sind die Hauptstationen der Schnitzelbänkler in diesem Jahr der «Safari Beat Club», das
«Café Merz» und das Hotel «Drei Könige». Wer die Lachmuskeln strapazieren will, tut
gut daran, im Voraus einen Platz in einem der drei offiziellen Schnitzelbank-Lokalen zu
reservieren.
Ein letztes Aufbäumen des Fasnachts-Virus erfolgt am Dienstagabend. Nochmals erobern
Guggen und Masken die Altstadt und verwandeln die Gassen in ein brodelndes Tollhaus. Erst
in den Morgenstunden des Aschermittwochs ist die Epidemie ausgestanden und die 40
folgenden Tage, die eigentlich dem zügellosen Narrentreiben zu Grunde liegen, sorgen auch
in Chur wieder für einträchtige Ruhe: Die Fastenzeit.
Walter Schmid |