Es war tatsächlich das Ende - allerdings nicht für das Churer Kulturschaffen, wohl aber für jene Illusionisten und Zweckträumer, die den Blick auf die Realitäten vollständig verloren hatten. Keineswegs war es das Ende des Theaters in der Bündner Hauptstadt, ganz im Gegenteil. Heute hält Chur ein noch nie dagewesenes breites Angebot bereit. Der Volksentscheid für einen Gastspielbetrieb im Stadttheater Chur war überhaupt die Voraussetzung, dass von Seiten der Politik jene Mittel bereitgestellt wurden, die heute allen zugute kommen. Die Stimmung in der Öffentlichkeit hat sich massiv verbessert, die Renovation des Gebäudes wurde möglich, und die Beiträge, welche die IG Theater erhält, fliessen nach wie vor. Was kaum der Fall wäre, wenn das Stadttheater mit eigenen Produktionen alle Mittel verschlingen würde. Der Gastspielbetrieb hat sich als einzig mögliche Alternative erwiesen, und das Publikum honoriert die Arbeit von Theaterdirektor Hans Heinrich Rüegg, der offensichtlich der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt war und das von der Mehrheit der Stimmberechtigten beschlossene Konzept optimal umsetzt. Das Theater ist nicht selten bis auf den letzten Platz besetzt, die Zahlen stimmen und die Besucher freut's. N. O. Scarpi, der Grandsegnieur des Theaters, hat folgende Geschichte erzählt: "Unsere Köchin ging einmal, zweimal im Jahr ins Theater; wenn sie weinen wollte, zu 'Der Müller und sein Kind', wenn sie lachen wollte, zum 'Zigeunerbaron'. Und als ich sie einmal fragte: 'War's schön?', erwiderte sie verklärt: 'Theater ist immer schön." Kann man das Wesen des Theaters kürzer ausdrücken? Und erschöpfender? Theater in Chur ist deshalb schön, weil es trotz aller Unkenrufe ein äusserst breites Angebot hervorbringt. Die Reportage in dieser Ausgabe zeigt eine Spannweite auf, die manchen überraschen mag. Der Titel schränkt zwar noch ein: "Chur - schon fast eine Theaterstadt". Wenn das Stadttheater einst eine einheimische Produktion als Gastspiel aufnimmt und auf der anderen Seite des Grabens der verbale "Konservenkrieg" eingestellt wird, wenn die Aufgabenteilung zwischen Stadttheater und der freien Szene endlich akzeptiert wird, dann ist Chur eine Theaterstadt. Und Theater ist dann nicht nur für die Besucher, Theater ist dann auch für die Theaterschaffenden schön. Stefan Bühler
|