Churer Wochenmarkt: Einkaufs- und Begegnungsort
Seit zwölf Jahren gehört er zur Altstadt, wurde
gleichermassen zum Einkaufs- wie zum Begegnungsort: Der Churer Wochenmarkt mit seinem
vielfältigen Angebot an Frisch- und Bioprodukten. Am 1. Mai ist es wieder soweit. 27
Marktfahrer sorgen ab diesem Datum für wöchentliche Frischprodukte-Einkaufserlebnisse in
der Oberen und Unteren Gasse.
Lange vor dem Start des Churer Wochenmarktes bereiten sich die Bäuerinnen und
Bauern in zeitaufwendiger Arbeit vor. Pflänzchen wurden gezogen, gehegt und gepflegt, aus
bester Milch entstehen Butter, Quark und Käse; aus Biofleisch produzieren sie
aromatische, Luft getrocknete Würste oder sie kochen duftende Konfitüre ein. Jetzt
werden in letzter Minute die frisch gelegten Eier eingesammelt, das Brot gebacken und die
Kräuter noch taufrisch geschnitten. Am Samstagmorgen schon sind die Mühen vergessen. Die
Marktstände sind frisch geschmückt, die schön arrangierten Produkte warten auf ihre
Käufer. «Wir freuen uns jetzt schon riesig auf den Marktbeginn», sagt Johanna Dönz,
Bäuerin und Frischblumenproduzentin aus Urmein rund zwei Wochen vor der Eröffnung des
Wochenmarktes. Der Hof von Johanna und Sebastian Dönz liegt fernab des öffentlichen
Geschehens, sodass sie den Kontakt mit ihren Kunden am Wochenmarkt besonders schätzen.
Wichtig geworden ist der Wochenmarkt für das Paar aber auch noch aus anderen Gründen,
nimmt doch die Blumenzucht heute den wichtigsten Stellenwert ihres Betriebes ein. Auf die
farbenfrohen Frühlingssträusse, die Johanna Dönz am 1. Mai mitnimmt, dürfen sich die
Marktbesucher jedenfalls auch schon heute freuen.
Den Churer Wochenmarkt müsste man erfinden, wenn es ihn nicht schon gäbe, stand
einmal in einer Bündner Wochenzeitung zu lesen. Am 1. Mai werden die Marktfahrer nun
bereits zum zwölften Male für jene besondere Samstagmorgen-Atmosphäre sorgen, welche
sehr viele Marktbesucherinnen und Marktbesucher so schätzen. Sie können ganz in Ruhe
vergleichen, auswählen, sich über die Produkte informieren lassen, Neuheiten
austauschen, Rezepte erfragen, die unvergleichlichen Düfte einatmen, Bekannte und Freunde
treffen. «Auf dem Churer Wochenmarkt findet man nicht nur seltene Spezialitäten, es ist
auch ein wichtiger Ort der Begegnung», sagt etwa Evelyn Lengler, regelmässige
Marktbesucherin.
Pilotprojekt mit gutem Start
Entstanden ist die Idee des Churer Wochenmarktes eigentlich in
verschiedenen Organisationen, darunter in erster Linie beim Bündner Bauernverband und
beim Konsumentinnenforum. Schnell konnte sich auch die Obere Gasse-Gemeinschaft für das
Projekt erwärmen. Zum ersten Treffen im Jahr 1987 waren ebenfalls Produzenten
dazugestossen. Ziel war und ist es, Frischprodukte ab Bauernhof ohne Zwischenhandel direkt
zu vermarkten. «Natürlich wollte die Obere Gasse-Gemeinschaft auch die
Besucherfrequenzen steigern», verhehlt Drogist Hans Ullius, einer der
Gründungsmitglieder des Vereins nicht. Dass dies gelungen ist, freut die allermeisten
Geschäftsinhaber in der Altstadt besonders.
Die Idee jedenfalls hat schnell eingeschlagen. Heute gehören dem Verein Churer
Wochenmarkt rund 50 Mitglieder an. Dazu kommen Woche für Woche Hunderte von
Marktbesuchern, die sich mit den qualitativ hochstehenden Frischprodukten eindecken.
Metzger Fritz Schiesser, ebenfalls Gründungsmitglied, zeigt sich von der schnellen
und unbürokratischen Entwicklung des Wochenmarktes begeistert. «In einer ersten Phase
hat uns die Stadt Chur zehn Stände gratis zur Verfügung gestellt. Heute bieten 27
Marktfahrer ihre Frischprodukte regelmässig auf dem Markt an». Im Vordergrund sei aber
niemals das quantitative Wachstum gestanden, erläutert Hans Ullius. «Oberstes Kriterium
war immer die Qualität der Produkte».
Hohes Qualitätsniveau
Um den Qualitätsstandard auf hohem Niveau halten zu können, haben sich
die Marktfahrer, allesamt Vereinsmitglieder, strengen Richtlinien unterzuordnen. So regelt
das Marktreglement insbesondere die Anforderungen, die an die Produkte gestellt werden. So
muss beispielsweise das Rohmaterial für Milch und Milchprodukte zu 100 Prozent aus
Graubünden stammen, ebenso wie Freilandeier, Wild- und Zuchtpilze, Getreide und Mehl,
Gemüse und Obst. Frischfleisch muss im eigenen Landwirt- schaftsbetrieb produziert, darf
aber nicht tiefgefroren sein. Der Zukauf von nicht verarbeiteten Produkten muss bewilligt
und entsprechend deklariert werden. Ausserdem finden regelmässige unangekündigte
Kontrollen auf den Mitgliedsbetrieben statt. Daneben kontrolliert auch das
Lebensmittelinspektorat die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen. Nicht zuletzt
verpflichten sich die Marktfahrer während der Dauer des Wochenmarktes von Mai bis Ende
Oktober Samstag für Samstag nach Chur zu kommen.
Regionale Ausrichtung
«Wir wollen den Markt bewusst regional ausrichten», so Ullius, was
bedeutet, dass Wachstum nur noch beschränkt möglich ist. «Wir wollen damit auch einem
einseitigen Angebot vorbeugen und die vielen Spezialitäten weiter fördern». Ein Grund
auch, weshalb der Verein Händler ausschliesst. «Wir wollen Bauern, die eigene Produkte
anbieten». Preisvorschriften bestehen keine. Die angebotenen Bioprodukte haben zwar ihren
Preis. Vor überbordenden Preisvorstellungen muss der Kunde allerdings keine Angst haben,
reguliert doch der Markt die Preise ganz von selbst.
Um den Churer Wochenmarkt für die Besucher noch attraktiver zu machen, denken sich
die Anbieter von Frischprodukten während jeder Saison zusätzliche Attraktionen aus.
Einmal gibt es einen lustigen Güggelwettbewerb, ein andermal können die Kinder Kaninchen
oder junge Geissen bestaunen. So werden auch in der bevorstehenden Saison attraktive
Rahmenprogramme für interessante Markttage sorgen.
Mit der Zukunft des Churer Wochenmarktes beschäftigt sich der Verein immer wieder.
Im Vordergrund der Bemühungen steht aber die Pflege und der Ausbau der Kontakte zwischen
Konsument und Produzent, die Förderung des Markterlebnisses und des Treffpunktes.
«Schliesslich möchten wir einen Markt, der uns möglichst lange erhalten bleibt», so
Fritz Schiesser.
Karin Huber