«Sammler
sind glückliche Menschen»
Es
fällt schwer zu glauben, dass über der Kart-Arena an der Sägenstrasse
32 ein Museum einquartiert ist. Folgt man den Wegweisern, steht man
schliesslich im dritten Stock vor einer Schiebetür und betritt Bernd
Pittermanns Nähmaschinen Museum. Vor rund zwei Jahren hat Pittermann
seine Privatsammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Bijoux
ist jedoch gefährdet. Es fehlt an Geld.
Nicht
etwa, dass man die ersten Nähmaschinen mit Begeisterung aufgenommen hätte.
Nein, man stand dem neuen Gerät äusserst feindselig gegenüber. Wurde
die Anfertigung der ersten Nadel aus Stahldraht
(1370) noch als Triumpf der Technik gefeiert, so hatte das Volk für
die Erfinder der Nähmaschine im besten Falle noch ein geringschätziges Lächeln
übrig. Der Österreicher Madersperger etwa, kämpfte jahrezehntelang
vergeblich gegen die Vorurteile in seinem Land. Immerhin hatte er es
geschafft, erstmals einen verknoteten Doppelsteppstich zu nähen. Dennoch
starb er völlig mittelos im Armenhaus. Schlimmer noch erging es dem französischen
Erfinder Thimonnier: zwar konnte er bis 1929 rund achtzig aus Holz
gefertigte Nähmaschinen bauen und verkaufen, aber die Schneider brachten
ihn zu Fall: weil sie um ihre Existenz fürchteten, schlugen sie die
Werkstatt des Tüftlers kurz und klein.
Fundstücke
aus vergangener Zeit
Die Geschichte der Nähmaschine wird in Bernd Pittermanns Nähmaschinen
Museum erleb- und fassbar. Der Raum über der Kart-Arena, in welchem vor
Pittermanns Einzug die Zürcher Kantonspolizei den Kampf gegen Häuserbesetzer
probte, wurde mit viel Liebe zum Detail hergerichtet. Kaum tritt man ein,
wird man gefangengenommen von der alten Zeit. Nicht nur schön verzierte Nähmaschinen
aus dem Zeitraum von 1871 bis 1945 finden sich da, sondern auch das
passende Zubehör: Stecknadelkissen, Nadelbriefchen, Ölkännchen, mit
Samt ausgelegte Scherenschachteln, Stecknadeldosen, Werbeplakate von einst, alte Fotos von Störnäherinnen
und sogar ein Gesellenstück aus dem letzten Jahrhundert.
Vom
Kettenstich zum Zickzack
Die allererste Nähmaschine, soll der Deutsche Weisentahl bereits um
1755 konstruiert haben. Erst hundert Jahre später jedoch, fabrizierten
Weehler und Wilson die nähenden Maschinen serienmässig. Mit der
ausklingenden Biedermeierzeit, in der für Kleider und Mäntel
verschwenderisch viel Stoff gebraucht wurde, begannen die Schneidermeister
allmählich die Nähmaschinen als erleichterndes Hilfsmittel zu
akzeptieren. Um die Jahrhundertwende wurde die Nähmaschine schliesslich
industriell im grossen Stil eingesetzt. Es dauerte jedoch wiederum eine
Weile, bis die Maschinen einen Zick-Zack-Stich nähen konnten.
Im
ersten Nähmaschinenmuseum Graubündens taucht man ein in die damalige
Wunderwelt der Technik. Bereitwillig erläutert Pittermann die einzelnen
Stücke und gibt kompetent Auskunft. Jede der ausgestellten Maschinen ist
funktionstüchtig, es stehen sogar Demonstrationsbögen bereit, so dass
das Nähen mit Muskelkraft selbst ausprobiert werden kann.
Nähender
Nähmaschinenmechaniker
Doch wie kam Bernd Pittermann auf die Nähmaschine? Näht er selbst
auch? «Selbstverständlich», erwidert der Nähmaschinenmechaniker und
passionierte Sammler, «erst kürzlich nähte ich meiner Frau ein
Sommerkleid. Er habe eigentlich immer schon mit Stoffen zu tun gehabt,
erklärt Pittermann und während seiner Lehre begann er, alte Nähmaschinen
zu sammeln. «Ich hatte damals schon einige Stücke, die mir ans Herz
gewachsen waren.» Die reparierte er und lagerte sie auf dem Estrich ein.
Als er vor fünfundzwanzig Jahren von Darmstadt nach Chur übersiedelte,
brachte er die alten Maschinen mit. In der Zwischenzeit hat Bernd
Pittermann über 100 Stück beisammen. Vor rund zwei Jahren machte er
seine Privatsammlung der Öfffentlichkeit zugänglich. Im Museum finden
sich Gewerbe-, Industrie- und Haushaltnähmaschinen sowie einige Kindernäh-
maschinen. Ausser den Miniaturmaschinchen für Kinder sind alle Maschinen
schwarz. Erst nach 1945 wurden die Nähmaschinen farbig.
Bernd
Pittermann sammelt nicht nur Nähmaschinen: auch Militärvelos,
Schreibmaschinen, Briefmarken und alte Radios sind vor ihm nicht sicher.
«Sammler sind glückliche Menschen», sagt Pittermann, «wenn sie ihre
Schätze zugänglich machen, beglücken sie auch andere.»
Das
Nähmaschinenmuseum ist jeden zweiten und vierten Samstag zwischen 14 und
18 Uhr geöffnet.
Ursina
Straub
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