Sicher: Von 33 528
Einwohnern sind nur gerade 2222 auch Bürger der Bündner Hauptstadt, also
6.6 Prozent. Dafür blicken diese auf eine viel längere Wahltradition zurück
als jedes andere politische Gremium. Man muss dazu schon den Chronisten
des Freilichtspiels zu St. Nicolai zitieren, welches vor genau 40 Jahren
zur Aufführung gelangte: „Ein neuer Windzug
bläst durch unsere Gassen, Nun darf der Bürger
stolz sein Haupt erheben, Friedrich sei Dank,
Chur ist eine freie Stadt. Aus der Asche des Stadtbrandes von 1464
entstand das Rathaus, das eine überlokale Bedeutung hatte. „Die Stadt
Chur erhielt die Stellung eines Vorortes der Gotteshausgemeinden. Ihr Bürgermeister
wurde dadurch zum Haupt des Gotteshausbundes, ihr Stadtschreiber zum
Bundesschreiber und ihr Stadtweibel zum Bundesweibel“, schreibt Prof.
Peter Liver. Bis zum Jahre 1874 gab es in Graubünden jeweils nur die
eine, nämlich die Bürgergemeinde. Neben den 212 politischen Gemeinden zählen
wir noch heute 180 selbständige Bürgergemeinden. Zwar gibt die eine
oder andere auf wie etwa jene von Trun in diesem Jahr, andere erleben
beinahe eine neue Blütezeit wie die von Chur, die unter der 12jährigen
Leitung von Bürgermeister Ernst Kuoni die notwendige Offenheit und
Toleranz erreicht hat, um auch in Zukunft bestehen zu können. Kaiser
Friedrich hat ermöglicht, dass auch 1999 nach Ämtern gestrebt werden
darf und ein neuer Bürgermeister gewählt wird. Raten darf man, wer es
sein wird und – so sagt es der Chronist - man darf auch „Sichten“.
Genau das wird im Oktober ebenfalls gemacht, wenn nämlich das umfassende
Werk „Die Bürgergemeinde Chur“ in den Verkauf gelangt, ein Buch von
Enrico Giacometti, von dem wir in dieser Ausgabe berichten. Und nach
dessen Lektüre für jeden Leser klar ist: Am 24. Oktober sind die
Nationalratswahlen Nebensache, zur Wahl steht ein neuer Bürgermeister. |