Wie beginne ich ein neues
Jahrhundert? Warum wollte sie nicht so recht aufkommen, die Vorfreude? Vielleicht mangels
Erfahrung, vielleicht auch deshalb, weil die Computerhysterie alles Vernünftige und
Normale in den Schatten gestellt hat. Wir müssen damit leben, dass ein paar Bits und
Bytes unser Denken und Handeln mehr beeinflussen, als wir das wahrhaben wollen. Dabei ist
es bezeichnend für den Zustand der heutigen Zivilisation. Millenium hat es zum Wort des
Jahres gebracht - und es wird genau so schnell, wie es gekommen ist, aus dem Bewusstsein
wieder verschwinden. |
Stefan Bühler Vorsätze |
Weil eben alles etwas
oberflächlicher und kurzatmiger ist. Dabei läge es doch auf der Hand, dass wir diese
einmalige Chance nutzen, um neu durchzustarten. Dazu muss man lediglich all die guten
Vorsätze aus den vergangenen Jahren hervorholen. Schon wieder vergessen? Wo doch der Weg
zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist.
Nach jedem Neujahr mit dem Rauchen aufhören - einer der beliebtesten Vorsätze endet
jedes Mal damit, dass man nach zehn Wochen erfolgreich vom Nichtrauchen befreit ist.
Dann schon besser der Vorsatz mit dem Angriff auf die Kalorien. Wie konnte man doch
kürzlich in der Zeitung lesen? Die Frau schaute aus dem Fenster und verlor dabei
das Übergewicht. Ja, wenn es nur immer so einfach wäre.
Einfach haben es heute nur mehr die Politiker, die auf ihren Manuskripten oben vermerken:
Es gilt das gebrochene Wort. So kommt es, dass die Politiker viel voraussagen
und dann wie immer kein einziges ihrer Verbrechen einhalten.
Es können ja auch die kleinen Dinge sein, die man sich zum Vorsatz nimmt. Dass man in
Zukunft etwas pünktlicher zu spät kommt. Oder: Man verlasse sich nie auf die
Wetterprognose. Solange sich die Blumenkohlwolken-Prophetinnen nicht entscheiden können,
ob sie Regenschein oder Sonnenguss ankündigen wollen, sind die Voraussagen der anderen
Scharlatane wie Urniella und der Elisabeth Teissier geradezu Volltreffer.
A propos Weltuntergang: die Zukunft ist ja auch nicht mehr das, was sie früher war. Die
Geschichte wiederholt sich eben nicht. Und wenn sie sich wiederholt, dann nicht so wie
früher. Aber man kann ja das Jahrhundert ohne Vorsätze beginnen, ganz einfach so. Und
sich dabei die übliche Gesundheit wünschen. Um noch möglichst viel von der Zukunft
mitzubekommen. Alt werden ist schliesslich immer noch die einzige Möglichkeit, lange zu
leben. In diesem Sinne: auf ein langes Leben.
Stefan Bühler |