60 Jahre Jazz in
Chur Die Stadtgalerie präsentiert in der Zeit vom 3. März - 2. April die Ausstellung 60 Jahre Jazz in Chur. Dabei geht es ausschliesslich um den Jazz in Chur: Konzerte, Formationen, Musiker, Ton-träger. Die vielen Konzerte mit teils internationalen Grössen bleiben unerwähnt, es sei denn, dass ein Churer in irgendeiner Form beteiligt gewesen wäre. 60 Jahre Jazz in Chur Frage- oder Ausrufezeichen ? Beides trifft zu: man kann sich fragen, ob es schon sechzig Jahre her sind, dass die ersten mutigen Versuche gestartet wurden, so etwas wie Jazz in einer Provinzstadt, damals besonders auch noch ausgeprägte Kleinstadt, zu wagen. Oder: man kann mit Stolz ausrufen: 60 Jahre Jazz in Chur! Wahre Jazzenthusiasten Der Jazz, kaum eine Musikrichtung welche sich so viel zu artikulieren, formulieren und auch zu rechtfertigen hat. Eine Musik die das 20. Jahrhundert nachhaltig geprägt hat, hat in Chur Tradition. Die Stadt Chur hat im Laufe dieser sechzig Jahre nicht unbedingt die grossen Namen im Jazz herausgebracht, sieht man mal ab von Little Fritz Trippel und Werner Lüdi; was sie hingegen hat, sind: wahre Jazzenthusiasten, Angefressene, Unverbesserliche. Gerade diesen vielen, inzwischen leider auch in Vergessenheit Geratenen, die unerschütterlich an den Jazz geglaubt, für ihn gelebt und gelitten haben, diesen ganz besonders ist diese Ausstellung gewidmet. So bleibt zu hoffen, dass manch in Vergessenheit geratener Churer Jazzmusiker wieder ins Bewusstsein zurück gerufen wird. Späte, nicht zu späte Anerkennung für den geleisteten Kulturbeitrag in einer Stadt, die erstaunlich gut gelernt hat, dass auch und gerade Jazz zum kulturellen Leben dieser Stadt gehört. Bei dieser Ausstellung wird es nicht nur mit blossem Betrachten von Fotos aus bewegten sechzig Jahren, Presseartikeln und Konzertplakaten sein Bewenden haben. Die Aussteller haben sich auch dem Hören angenommen: Jazz ist Musik und Musik muss gehört werden. Nur für diesen Anlass sind zwei CDs mit Aufnahmen von Churer Jazzmusikern zusammengestellt worden. Die CDs sind ausschliesslich in der Ausstellung zu hären. Als wahres Dokument und für jeden Churer, ob Jazzer oder nicht, erweist sich der hervorragend gestaltete Ausstellungskatalog. Fotos, Erzählungen, Anekdoten Mit viel Arbeit, besonders jedoch mit viel Sachkenntnis, Liebe zum Jazz und zum Detail haben die beiden Churer Jazzmusiker und - dokumentalisten Werner «Isaak» Tester und Toni Schädler diesen zu einem interessanten Nachschlagewerk gemacht. Aus seinem unermesslichen Fundus hat einerseits Tester Fotos, Artikel und Tondokumente zusammengetragen, während Schädler mit einem respektablen Berg an Erzählungen und Anekdoten aufzuwarten weiss. Ausstellung und Katalog sind ein Ereignis, das die Zeit von vier Wochen mehr als überdauern wird. Der Ausstellungskatalog ist gegliedert nach Epochen, Stilrichtungen und Musiker/Formationen. Da wird u.a. über den damals weit über die Stadt Chur hinaus bekannten Schlagzeuger Christian Mathis, genannt Jazz-This, berichtet, wie auch vom Zustandekommen von Formationen wie das Orchester Ruetama und die frühen Gehversuche von Sepp Dörig mit seinen Big Bands. Der Aufstieg von Little Fritz und Werner Lüdi ist fast schon Schritt für Schritt nachzuvollziehen und das man den Bandnamen Chicago Jazz Friends irgendwie mit Zahnbohrern in Verbindung bringt ist ebenfalls da nachzulesen. Als eigentlicher Jazzstar der fünfziger Jahre wird der offensichtlich charismatische Trompeter Arthur «Abraham» Tester vorgestellt. Dieser Abraham scheint der grosse Initiator der damaligen Jazzszene und des Jazzlebens gewesen zu sein. Ein Wirken, dass sich bis heute hin auswirkt und in Little Fritz Trippel sein Aushängeschild gefunden hat. Rauhe Zeiten damals für den Jazz: der aufkommende Rock and Roll wurde da schön mit Jazz gemischt und die zu dieser Zeit äusserst populäre Illustrierte «Sie + Er» widmete 1956 eine vielseitige Reportage dieser wilden Churer Jazz-und Rock and Roll-Szene. Das dem viel Ablehnung gegenüberstand, weit über Kritik hinausreichend, ist anhand verschiedener Zeitungsartikel nachzulesen. Unzählige Bands haben sich dem Dixieland, Swing, Bebop bis hin zum Freejazz verpflichtet gefühlt. Verpflichtungen zu Stilen, die man nicht nur ernst und seriös betrieben hat, man hat sich auch für sie eingesetzt mit allem zur Verfügung stehenden Herzblut. 60 Jahre Jazz in Chur ist nicht nur Musiker und
Bands, dass sind auch Lokale: Volkshaus mit seinem Arvensaal, Militärkantine,
Kasernenhöfli, Unterer Spaniöl, Spanische Weinhalle, Franziskaner, Drei Känige,
Pestalozza, Klibühni. Doch was sind letztlich Musiker, Bands und Lokalitäten ohne die
Veranstalter: da ragt einmal ganz besonders der Churer Anwalt Andrea Engi heraus. Engi ist
die treibende Kraft im initiativen Jazz Club Chur: ein wahrer Impresario. Wahrscheinlich
erst dank Ausstellung und besonders auch dem Katalog wird vielen Churer bewusst werden,
wie stark der Jazz mit all seinen Facetten in dieser Stadt verwurzelt ist. Ein Stück
Kultur auf das Chur Stolz sein darf und zugleich aber auch Sorge zu tragen hat. Vernissage: Donnerstag 2. März 2000 und 17.30. |