Die christliche Zeitrechnung hat aber mit dem Jahr 1 begonnen. Dass der syrische Mönch
Exiguus im 6. Jahrhundert die Geburt zu Bethlehem als Ausgangspunkt für seine
Zeitrechnung vier Jahre zu spät festlegte, tut nichts zur Sache. Korrigiert wurde das
nämlich nie, auch wenn der irische Erzbischof James Ussher den Fehler schon 1650 entdeckt
hatte. Klar ist heute, dass wir im dritten Jahrtausend angelangt sind.
Und was soll man sich wünschen am Anfang zu
einem neuen Jahrtausend? Jetzt, wo wir alle Weltuntergangs- Prophezeiungen überlebt
haben, könnte ja wieder der ganz einfache Wunsch nach mehr Menschlichkeit und mehr
Frieden aufkommen. Vielleicht erleben wir es noch einmal, dass nicht ständig die Frage
nach dem Weltuntergang gestellt wird und labile Gemüter damit verunsichert werden. Die
Endzeitpropheten der Vergangenheit lebten schliesslich selbst in Unsicherheit. Etwa der
südfranzösische Arzt Michel de Notredame, besser bekannt als Seher Nostradamus, der
Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Niederschrift einer berühmten Zenturien begann, jenen
Büchern mit je hundert prophetischen Vierzeilern, die alles sagen und nichts bedeuten.
Auch Nostradamus musste erleben, wie Tausende an der Pest starben, darunter seine ganze
Familie. Dass sein mit dem Jahr 1999 datierter Weltuntergang nicht stattgefunden hat,
wissen wir inzwischen auch.
Oder hat Nostradamus den kleinen
Weltuntergang gemeint, den wir vielleicht täglich erleben? Wenn eine Beziehung in die
Brüche geht, ein nahestehender Mensch stirbt, eine Hoffnung sich zerschlägt? Warum
können wir damit immer schlechter umgehen, obwohl wir doch als aufgeklärt gelten? Warum
suchen immer mehr Menschen ihr Heil im Aberglauben, vom esoterischen Firlefanz hin bis zum
Fiat Lux? Nostradamus, die Bibel, die Astrologen, alle sagen uns den Weltuntergang bevor
mit der Aussicht auf eine bessere Welt danach. Darob vergessen wir wohl, dass wir es
selbst in der Hand haben, für eine bessere Welt noch vor dem Untergang zu sorgen. Täten
wir das etwas aufrichtiger und ernsthafter, könnte man die Frage, ob es ein Leben vor dem
Tod gibt, durchaus mit Ja beantworten. |