Die Post richtet sich neu aus – und das

heisst Schliessung von Poststellen, Rationalisieren, Abbauen. Sie habe sich die Neuausrichtung nicht leicht gemacht, sagt Konzernchef Ulrich Gygi. Hinter seinem Referat steht in Klammern jene Absicherung, wie man sie auch bei Politikern öfters auf dem Manuskript findet: «Es gilt das gebrochene Wort» oder

so etwas Ähnliches. Mindestens in einer Hinsicht hat Gygi Recht, wenn er meint: «Gerade weil die Poststellen bei Bevölkerung und Postpersonal mit starken Emotionen verbunden sind und weil uns dieses Netz so wichtig ist,

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Stefan Bühler


Post
festum

haben wir lange und intensiv über den Umbau nachgedacht. Die Post ist mehr als ein Unternehmen. Die Post ist eine Institution». Sie ist sogar mehr als eine Institution – sie

ist für viele von uns eine

Lebensbegleiterin. Auch im Zeitalter von E-Mail kommen Geburts-, Hochzeits- und Todesanzeigen vom Pöstler, der für viele Menschen sogar ein rettender Anker ist, weil man von Bank, Post und anderen

-omaten einfach überfordert ist.

Wie viele Emotionen mit der Post verbunden sind, kann Gygi wahrscheinlich nur ahnen. Oder war er sich darüber im Klaren, dass er mit dem Poststellen-Kahlschlag in Graubünden sogar die Jäger völlig verunsichert? Wo diese doch gemäss Gesetz mit dem Wagen nur zu den Endstationen von Postautokursen fahren dürfen. Dabei kann man die heutigen Postautos vor lauter Reklamen nicht mehr als solche erkennen, und die Post findet man nicht mehr, weil es sie nicht mehr gibt. Zurück bleiben Jäger, die der fahrbaren Poststation nachirren und Haushunde, denen man den Pöstler nicht mehr gönnt. So bleibt einem nichts anderes übrig, als sich an die guten alten Zeiten zu erinnern. Immerhin, nicht jedermann konnte als Wohnadresse «Alte Post» angeben. Auch die Erinnerung an das

Churer Seifenkistenrennen des Jahres 1958 kann keiner wegnehmen. Schliesslich traf die hölzerne, fahrbare Tonne beim Publikum entlang der Kreuzgasse voll ins Gelbe: Sie gewann nämlich nicht nur das Rennen, auch der Publikumspreis ging an die Rohrpost. Mit der Postmütze und der Rohrpost konnte man halt noch Emotionen schüren. Da war es schon selbstverständlich, dass jeder im Leben einmal Briefmarkensammler war, auch wenn es nicht zum Basler Tübli reichte. Der Poststellen-Schliessungsbeschluss treffe Chur nicht, heisst es. Dabei sind wir schon lange betroffen. Früher, da kannte man noch an der Kasernenstrasse Herrn Alig und an der Belmontstrasse Herrn Bernhard, die auch einmal ausserhalb der Öffnungszeiten aushelfen konnten. Und heute wird einem mit einem

Automaten-Ticket deutlich vor Augen geführt, was man für die Post ist: eine Nummer, die man digital mit Leuchtschrift zur

Abfertigung beordert. Und möchte man einmal wissen, wie viele Haushalte Trimmis, Felsberg oder Präz hat, muss man eine Telefonnummer im Ausland wählen, weil sich dort das Callcenter befindet. Die Post, das war einmal, heute haben wir post festum.