Akademie |
|
Lernen macht auch im
Alter Spass Lernen macht auch im Alter Spass. Rund 600 Seniorinnen und Senioren haben im letzten Jahr an der Seniorenakademie Graubünden in Chur einen oder mehrere der angebotenen Kurse und Seminare besucht, an Führungen oder Studienreisen teilgenommen. Sie sind zwischen 55 und 85 Jahre alt, haben ihre Lebenserfahrungen gesammelt und wissen, wo es lang geht. Dass das Leben gerade in diesem Alter noch einiges bereit hält und die Erwartungen daran zu Recht hoch sind, ist für die (Jung)Seniorinnen und Senioren kaum ein Thema, über das man diskutieren müsste. Denn sie nehmen ihr Leben auch nach einem aktiven Berufs- oder Hausfrauenleben fest in die eigene Hand. Gut 600 interessierte Senioren aus Chur und den Regionen zwischen Davos und Disentis, Celerina und Domat/Ems haben bis heute die «Schulbank» der Seniorenakademie gedrückt. Aus Lust, aus Spass, aus Interesse, um Wissen zu mehren. Die Stimmung in den Kursen ist gut. Kontakte werden schnell aufgebaut. Gemeinsame Interessengebiete verbinden. «Bei uns», sagt Hansjörg Wehrli, Geschäftsleiter der Seniorenakademie Graubünden, «ist man einfach Mensch.» Barrieren, die sich oft durch eine unterschiedliche Herkunft, eine unterschiedliche Berufslaufbahn oder andere soziale Hintergründe auftun, werden hier ganz schnell niedergerissen. An der Ringstrasse 90, dem Sitz der Seniorenakademie, gehen jung gebliebene Menschen ein und aus. Freude am Leben und Lernen Gegründet wurde die Seniorenakademie von einigen Gleichgesinnten, die gerade so wie ihre Kursbesucher ganz generell Freude am Leben und Lernen haben. Als einer der Mitbegründer und Betreuer der «Computeria» freut sich der erst 36-jährige Hansjörg Wehrli über die nie erlahmende Bereitschaft der Kursbesucher, Neues zu lernen. In den akademischen Seminaren, die meist nachmittags stattfinden und von ausgewiesenen Dozenten geleitet werden, hätte es allerdings hie und da noch genügend freie Plätze. «Manchen», so Wehrli, «erscheint der Kursbeitrag von 47 Franken pro Nachmittag etwas hoch. Viele denken aber meist nicht daran, dass sie dafür auch eine wertvolle Gegenleistung erhalten.» Um aber auch finanziell nicht speziell gut gestellten Bildungswilligen, das Mindestalter liegt bei 55 Jahren, die Türen der Akademie zu öffnen, leistet der Förderverein, wenn nötig, Unterstützungshilfe. Mit Kurskosten zwischen 35 und rund 500 Franken (abhängig von der Intensität) kann die Seniorenakademie im Vergleich mit anderen Anbietern mithalten. Weil sich die Akademie aber noch immer im Aufbau befindet, ist es für das noch junge Unternehmen nicht immer einfach, kostendeckend zu arbeiten. «Irgendwie ist es nicht fair», moniert Hansjörg Wehrli, «dass wir alles selbst bezahlen müssen, während andere Bildungsinstitutionen staatliche Unterstützung erhalten.» Deshalb zeigt sich Wehrli äusserst froh über Zuschüsse seitens privater Geldgeber. Dazu zählt auch die Graubündner Kantonalbank, welche es erst ermöglichte, die «Computeria» einzurichten. Gerade sie wird von den Senioren stark nachgefragt. Treffpunkt Computeria Im gut ausgestatteten Kursraum mit zehn Arbeitsplätzen und integrierter Cafeteria treffen sich vor allem mittwochs und donnerstags sowie an den übrigen Computer-Kurstagen Seniorinnen und Senioren aus ganz Graubünden. Men Benz (67), pensionierter Sekundarlehrer aus Felsberg, schätzt die gute Atmosphäre und die Hintergrundinformationen, die er im Computerkurs erhält. «Bisher», sagt er, «habe ich nur im Word gearbeitet. Jetzt kenne ich mich aber auch in der Bedienung des Computers aus, weiss, wie das Internet funktioniert und kenne die Zusammenhänge.» Benz, der immer wieder Vorlesungen an der ETH Zürich besuchte, hat sich diesen Winter nun erstmals für Kurse an der Seniorenakademie eingeschrieben. Begeistert zeigt er sich ebenso über das Weinseminar wie über die angebotenen Literaturveranstaltungen. «Die haben hier wirklich gute Themen, die gerade auch für ältere Menschen von Interesse sind.» Um mitreden zu können, hat sich die pensionierte Lehrerin Margret Camastral (66) für einen Computerkurs angemeldet. «Von Computern hatte ich keine Ahnung. Langsam bin ich mir vorgekommen wie ein Steinzeitmensch», lacht sie. In der Zwischenzeit hat sich dies geändert. Denn im Kurs, den sie von ihrem Sohn geschenkt bekommen hatte, lernte sie schnell, wie man den Computer bedient. Und ab und zu surft sie schon einmal im Internet. «Für mich ist die Seniorenakademie ein wichtiger Ort», erklärt Margret Camastral. «In meinem Alter fasst man ja vieles nicht mehr ganz so schnell auf. In diesem Kreis mit etwa Gleichaltrigen ist das Lernen aber kein Problem.» Die Kontakte zu den übrigen Kursbesucherinnen und Kursbesuchern werden vor allem während den Kaffeepausen auf- und ausgebaut. «Denn im Kurs sind wir alle ziemlich beschäftigt», lautet das Credo der meisten. |
Niemand ist zu alt, um
zu lernen Dass die Seniorenakademie auch Treffpunkt sein soll, ist ganz im Sinne von Wehrli. «Für viele ist es wichtig, hier neue Leute kennen und gleichzeitig in entspannter Atmosphäre Neues zu lernen.» Wehrli versteht deshalb nicht, wenn, wie geschehen, erwachsene Kinder etwa ihrer Mutter von einem Kursbesuch abraten, mit der Begründung, es lohne sich nicht, in diesem Alter noch einen Kurs zu belegen. «Vermutlich», tröstet sich Wehrli, «haben diese Menschen gar nie richtig über die Tragweite dieser Aussage nachgedacht.» Dass niemand zu alt zum Lernen ist, beweisen die Kursteilnehmer der Seniorenakademie indes Tag für Tag. Auch jene Dame, die weit über 80 Jahr alt ist, aber sich immer noch jung genug fühlt, um ihr Wissen zu erweitern. Erich Rohner (70) aus Schiers jedenfalls findet, dass alle von einem Kurs profitieren. Als gelernter Elektriker und späterer Bundesangestellter während vielen Jahren kümmerte er sich um den Unterhalt von Militärflugzeugen hat er pensionierungsbedingt gerade jene Zeit verpasst, als auch in seinem Beruf vermehrt mit dem Computer gearbeitet wurde. «Damals war ich ganz froh darüber, dass man mich nicht mehr auf dem Computer schulte. Heute aber bedaure ich dies sehr.» Als ihm sein Sohn jedoch einen Computer schenkte, stand für ihn fest, dass er einen Internetkurs besuchen würde. Das passendste Angebot hat er dann in der Seniorenakademie Chur gefunden. Kein Massenbetrieb Zwar bietet die Seniorenakademie ein erstaunlich umfangreiches Kursprogramm an. Doch ist sie weit davon entfernt, zu einem Massenbetrieb zu werden. «Zu unserer Stärke zählt gerade die Individualität, das Persönliche, die gute Beratung und der gute Service. Bei uns kann man in kleinen Gruppen lernen.» Für die akademischen Seminare verpflichtet Wehrli jeweils ausgewiesene Dozenten wie auch Professoren der Universitäten Zürich und Basel. Schliesslich soll nicht an der Qualität gespart werden. «Gerade in diesen Seminaren», seufzt er, «hätten wir gerne etwas mehr Besucher.» Im Übrigen reichen die breit gefächerten Themen von der Geschichte über Kunst bis zu den Medien. Daneben gibt es ebenso spannende Seminare etwa über Gedächtnistraining, die Börse, Weine, Studien- und Musikreisen oder Sprachkurse. Weil Reisen hoch im Kurs stehen, ist auch die Nachfrage nach Sprachkursen gross. Die noch bis Ende Jahr berufstätige Bea Röthlisberger (57) reist ebenfalls gerne und besucht auch hin und wieder ihre in den USA lebende Tochter. «Ich wollte deshalb unbedingt Englisch lernen.» Der Kurs in der Seniorenakademie ist der richtige für sie, wie sich zeigen sollte. «Kürzlich», erzählt Bea Röthlisberger, «war ich in New York, wo ich meine Tochter traf. Sie staunte nur noch, dass ich schon so gut rede.» Dabei hatte Bea Röthlisberger zuvor schon verschiedene Kurse anderer Institutionen besucht. Zum Ziel ist sie dabei nicht gelangt. «Dort fehlte es oft an der Kontinuität, sodass ich nicht auf Bestehendem aufbauen konnte.» In der Seniorenakademie schätzt sie nicht nur die gute Kursqualität, sondern ebenso die gute Stimmung und das gute Verhältnis unter den Kursteilnehmern. «Und wenn jemand einen Fehler macht, so ist das egal. Niemand hat deshalb Hemmungen, etwas zu sagen.» Hier ist man Mensch Hansjörg Wehrli, der die Seniorenakademie neben seinem Beruf als selbstständiger Marketingberater in seiner Freizeit vor gut einem Jahr mit aufgebaut hat und sich noch heute auf ehrenamtlicher Basis stark engagiert, durfte bereits viele gute Erfahrungen machen. «Die schönste Erfahrung aber ist, dass bei uns Grenzen fallen. Denn hier ist man einfach Mensch.» Trotz fehlender finanzieller Mittel will Wehrli prinzipiell das gesamte Kursangebot durchziehen. «Auch dann, wenn nur wenige Leute an einem Kurs teilnehmen und die Kosten der Dozenten hoch sind.» Im Kopf hat er jedoch ebenfalls noch eine grosse Idee. «In ein paar Jahren wollen wir einen kompletten Studiengang zu einem bestimmten Thema anbieten.» Und um weitergehende Synergien zu nutzen, ist er auch offen für Kooperationen mit anderen Instituten oder Schulen. Woher holt Wehrli eigentlich seine Energie? «Ich bin überzeugt von der Idee der Seniorenakademie. Es ist eine ganz wichtige Sache. Und deshalb habe ich auch viel Herzblut in den Aufbau der Seniorenakademie gesteckt. Der Weiterbestand ist mit allen Mitteln zu sichern.» Karin Huber |