Es gibt aber noch andere Tummelfelder von
Dekadenz, nämlich überall dort, wo mit dem Essen Schindluder getrieben wird. Das
Guinessbuch der Rekorde hat schon lange aufgehört, den eierfressenden Rekordhalter
aufzulisten. Andere dagegen machen ruhig weiter. Eine demnächst beginnende Fernsehsendung
bringt den Container mit übergewichtigen Exhibitionisten, die jeweils rausfliegen, wenn
sie nicht genügend Pfunde verlieren. Um das Ganze zu dramatisieren, werden den
pervertierten Big Brothers Süssigkeiten und andere Delikatessen mit möglichst vielen
Kalorien vorgesetzt, denen sie unter den Augen des Fernsehpublikums widerstehen müssen.
Weil dank Satellitenübertragung diese «Führe mich nicht in die
Fressversuchung»-Sendung auch in Hungergebieten zu sehen sein wird, kann man sich
vorstellen, wie dort Freude aufkommt.Nun muss man ja dem Publikum offensichtlich
solchen Nervenkitzel zeigen, damit es sich amüsiert. Da darf dann der Frank Elstner dem
Thomas Gottschalk Mohrenköpfe ins Gesicht werfen, weil das lustig ist. Die beiden regen
sich noch kurz über die Begriffe Mohrenköpfe und Negerküsse auf. Sie hätten sich
besser zuerst gefragt, ob man mit Zwergen-Werfen nicht ethnischere Unterhaltung böte als
mit Esswaren-Schiessen. Um nicht falsch verstanden zu
werden: Es bleibt jedem Bäcker unbenommen, eine 17 Meter lange Cremeschnitte als
Zeichen seiner beruflichen Kompetenz zu kreieren. Man kann
diese ja in Einzelteile zerlegen und den Verkaufsgewinn sogar einem guten Zweck
zuführen.
Wie wäre es, wenn wir einmal über das Fasten nachdenken würden? Fasten bedeutet mehr
als der Versuch, begangene (Fress-)Sünden zu lindern. Christentum, Judentum, Islam und
Hinduismus kennen das
Fasten. In vielen Kulturen war es ein Teil des Fruchtbarkeitsritus zurzeit der
Sonnenwende. Für die Christen die Vorbereitung auf Ostern, für die Juden das
Versöhnungsfest Jom Kippur als Busse und Reinigung, für Moslems ist der Fastenmonat
Ramadan eine Art von Busse. Fasten, um Gott näher
zu kommen? Da ist es natürlich schon lustiger, wenn man uns die modernen Götzen, die
Entertainer des höheren Blödsinns, in die Stube bringt, die sich mit Torten und
Mohrenköpfen bewerfen.