Sie kennen
jede Gasse und jede Strasse von Chur, kennen den kürzesten Weg von
hier nach dort und sind immer in Eile: Die Ausläufer. Viele von ihnen
vollbringen ihre Botengänge unbemerkt, andere sind aus dem Stadtbild
nicht mehr wegzudenken und manchen merkt man ihren Job gar nicht an.
Nach einem Bericht des griechischen Geschichtsschreibers Plutarch legte
490 v. Christus ein griechischer Soldat den 42,2 Kilometer langen Weg
von Marathon nach Athen im Lauf zurück, um den Sieg der Griechen
über die Perser zu verkünden. Gleich danach soll er auf dem
Marktplatz von Athen tot zusammengebrochen sein. Das Schicksal dieses
Ausläufers war die Geburtsstunde des Marathonlaufes, der seit 1896
zu den olympischen Disziplinen zählt.
Zwei Velos durchgeritten
Diese Strecke entlockt dem 52-jährigen Marcus Gimmi nur ein müdes
Lächeln. Der Kurier von Sulser Print am Pfisterplatz legt täglich
60 Kilometer zurück. Allerdings auf einem stabilen Citybike und das
seit 17 Jahren und bei jedem Wetter. Er gehört somit zu den dienstältesten
Velokurieren überhaupt und hat auf seinen Touren von und zu Architekten,
Grafikern, Vereinen, Privaten etc. in der Stadt Chur gut und gerne 250
000 km abgespult. Nicht verwunderlich also, dass man Marcus zwischen dem
Lürlibad und dem Kalchbühlquartier, zwischen dem Meiersboden
und Masans kennt und ihm im gleichen Rayon kein Weg- und kein Strassenname
fremd ist. "Jetzt hock ich auf dem dritten Velo", lacht der
verständlicherweise topfite Kurier. "Zwei habe ich durchgeritten,
die
haben wegen Rahmenbrüchen den Geist aufgegeben." Ob viel Büez
oder wenig, eines lasse er sich jeweils
am Nachmittag nicht nehmen: "Ein Panaché bei Onkel Kurt
im Capellerhof".
Hobby
schöne Frauen
Einen mit Mass genehmigen tut auch Kurt Mullis, motorisierter Kurier bei
der Stadt, "aber erst nach Feierabend", versichert er. Bis er
zu seinem wohlverdiente Favoritengetränk - Cola/ Whiskey - kommt,
geht bei ihm nichts über Pflichtbewusstsein. Er sortiert in seinem
"Postbüro" an der Masanserstrasse 4 die eingegangene und
die
ausgehende amtliche Post, pendelt auf dem Töffli zwischen dem Rathaus,
dem Polizeiposten, städtischen und kantonalen Verwaltungsgebäuden
und der Post hin und her, verteilt Briefschaften, holt Akten, bringt Geld
und holt welches. Kein Gesicht in seinem Arbeitsbereich ist ihm unbekannt
und er diesen auch nicht. Mit dem Markenzeichen gelbes Haar unter der
Schildmütze, Sonnenbrille im Gesicht und roter Koffer auf dem Sozius,
gehört er seit 1982 zum Stadtbild, wie die Kreisel auf dem Postplatz.
Die umrundet er oft und frönt dabei auch seinem erklärten Hobby:
"Das sind schöne Frauen, die gibt es in Chur zuhauf!"
Arbeitsbeginn
4.15 Uhr
Von wegen Frauen: Die meisten der 46 von der Südostschweiz Pressevertieb
AG engagierten Personen sind weiblichen Geschlechts. "Sie sind von
Natur aus Frühaufsteherinnen und die Arbeitszeiten für die Ausführung
dieses Nebenjobs liegen ihnen deshalb", erklärt Gery Flatscher,
Leiter der Pressevertrieb AG. Täglich von Montag bis Samstag zwischen
4.15 und 6.30 Uhr gehen die Frauen und wenigen Pensionäre auf Tour
und stecken in ihren zugeteilten Revieren im Stadtgebiet die Zeitungen
in die Abonnenten-Briefkästen - 12 500 Stück pro Tag.
Nicht ganz so früh, aber auch zeitig aus den Federn, muss Aldo Kofler,
Verantwortlicher für die Auslieferung der Druckerzeugnisse von der
Casanova Druck und Verlag AG. Neben Belieferung der Kunden, Kurierdiensten
zwischen dem Bündner Buchvertrieb und dem Stammhaus am Regierungsplatz
ist er jeden Donnerstag ab 7.00 Uhr in der Stadt auf Tour und bedient
23 Kioske mit dem druckfrischen Amtsblatt des Kantons Graubünden.
Drei Sträusse
für eine Frau
Natürlich gibts in Chur auch täglich
38 Pöstler, die Briefe und teilweise auch Pakete zu den Leuten bringen
und vier bis sechs Personen, die für die Expresspost und den Post-Kurierdienst
eingesetzt werden. Nicht zu vergessen sind die "Geldverschieber"
von Bank zu Post und umgekehrt, die Bäcker - allein aus der Bäckerei
Merz werden täglich rund 3700 knusprige Einheiten ausgeliefert -,
Pizzakuriere und all jene, die mit Bringen und Holen eine Tätigkeit
ausüben, die mit Sicherheit das virtuelle Zeitalter überdauern
wird. Zu ihnen gehören auch die Blumenausläufer, z. B. von Zuber.
Marliese Olczyk ist jeweils vormittags - am Nachmittag besorgen das Jugendliche
- mit floristischen Kunstwerken unterwegs und bringt sie zu Spitälern,
Kirchen, Geburtstagskindern, Verehrten oder von Verehrern und Verliebten
bestellt zu Angebeteten. "Diesbezüglich sind Blumenläden
die grössten Klatsch- und Tratschorte", weiss Hildegard Stadler-Zuber
zu berichten. Wenn, als Müsterchen, von uns der gleichen Frau von
drei verschiedenen Männern je ein Rosenstrauss mit der gleichen tiefsinnigen
Widmung per Bote überreicht werden darf, gäbe das schon zu Mutmassungen
Anlass. Im Weiteren hüllt sich die Blumenfrau in Schweigen: "Absolute
Diskretion
"
Im Dienste
der Genesung
Ein willkommener Sackrappenzustupf ist jenen 12 Knaben und Mädchen
ab 15 Jahren sicher, die für die Apotheken "Apollo", "Montalin"
und "Fortuna" als Ausläufer zur Verfügung stehen.
Nach einem genauen Einsatzplan schwärmen sie täglich nach Schulschluss
aus und liefern im Stadtgebiet per Velo oder Töffli Medikamente und
andere Apotheker-Artikel kostenlos den Leuten ab. Liefer-Engpässe
entstehen dabei kaum, nicht zuletzt deshalb, weil die meisten der Jugendlichen
jederzeit und überall per Handy erreichbar sind.
Walter
Schmid
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