Der
Zweck heiligt die Mittel, heisst es. Nirgends trifft das mehr zu
als bei der Werbung. Was darf Werbung und was nicht? Sie darf alles,
nur eines nicht: langweilen. "Texten ist kein Verbrechen, das
schon", hat ein Werber dem anderen Werber in Chur vorgeworfen
in Anlehnung an dessen Kampagne zur Sauberhaltung der Stadt. Die
Verantwortlichen dieser Kampagne, in deren Mittelpunkt
die Verbrecherjagd steht, sind leicht zu erkennen an ihren Logos
auf den Plakaten: sie sitzen bei der Stadtverwaltung, im Kaufhaus,
beim Gipfelischmieden und beim Hamburgereinpacken. Inzwischen gehen
sie selbst auf Distanz zu dieser Werbung für die Erhaltung
einer sauberen Stadt.
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Stefan Bühler
Heilige
Mittel
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Das
Motto lautet "keep khur klean", mit edlem Ziel vor Augen
vergewaltigt man noch kurz zwei Sprachen gleichzeitig. Mit der Kampagne
will man dem Unrat in der Stadt zu Leibe rücken. Und das liest
sich dann so: "Essen ist nicht verboten, aber das schon",
als Beispiel eines Plakates, das einen achtlos weggeworfenen Fastfood-Behälter
auf den Pflastersteinen zeigt.Diese Kampagne hat bewirkt, dass über
sie geredet und geschrieben wird, damit ist sie aus Sicht des Werbers
als gelungen zu betrachten. Wirklich erfolgreich ist sie aber nur
dann, wenn sie auch ein anderes Verhalten zur Folge hat.
Man kann natürlich die Schlagzeilen auf den Plakaten auf ihren
juristischen Wahrheitsgehalt hin überprüfen und kommt schnell
zum Schluss, dass keiner ein Verbrecher ist, der ein Papier liegen
lässt. Dieser Ansatz ist aber falsch: wer damit beginnt, Werbeaussagen
zu hinterfragen statt sie auf ihre Wirkung zu prüfen, ist schnell
verzweifelt. Da müsste man ja das Bundesamt für Gesundheitswesen
fragen, ob es denn nicht weh tut, wenn man zur
Aids-Bekämpfung einen Knoten in den Penis knüpft. Oder die
Peugeot-206-Werbung ("Start Loving") mit den Akrobatik-
Eigenschaften der Insassen messen, die es auch im Kleinwagen treiben.
Richtig hingegen ist die Provokation, der Aha-Effekt oder der Widerspruch,
kurz, die erzielte Wirkung. Die Kampagne "keep khur klean"
ist deshalb nicht nur gut, sie ist sogar ausgezeichnet.
Wenn diese Werbekampagne nichts bringt, dann aus einem ganz anderen
Grund. Solange die Verbrecher in der Stadt des organisierten Erbrechens
keine Gelegenheit haben, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren,
ändert sich auch nichts. Anders gesagt: man muss seinen Dreck
auch entsorgen können. Schlechtes Beispiel Regierungsplatz: überfüllte
kleine Papierbehälter statt einen Container für die vielen
Flaschen in der Gegend. Beispiel Bus-Haltestellen: überquellende
Zeitungsbehälter, die niemand leert und die für die Stadt
schon lange ein Schandfleck sind. Aber es gibt auch gute Beispiele:
die Reinigungsequipe der Stadt zum Beispiel. Sie arbeitet gut, so
gut, dass man sich überlegen muss, ob diese Mitarbeiter des Werkbetriebes
nicht wie in Bern gleichzeitig als Touristen-Betreuer eingesetzt werden
können. Wie gesagt: der Zweck heiligt die Mittel.
Stefan Bühler |
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