Masken

Rainolters Masken warten auf die Fasnacht

Seine von Hand geschnitzten Masken muss man tragen. Denn erst dann werden sie zum Leben erweckt. Bis es so weit ist sitzt Alberto Rainolter stundenlang in seinem kleinen Atelier in der Churer Altstadt, bearbeitet das Rohholz, versucht zu erspüren, was seine Masken brauchen, was gut für sie ist.

Das versteckt liegende Atelier des Churer Maskenschnitzers Alberto Rainolter kennen wohl nur Eingeweihte. Durch einen alten Hauseingang und ein handtuchschmales Gärtchen führt der Weg in eine kleine Werkstatt, die Rainolter etwas beschönigend als Atelier bezeichnet.
An den Wänden hängen selbst gemalte Bilder und Rainolter-Masken. Weitere liegen in Reih und Glied auf dem Arbeitstisch. Die meisten seiner Masken aber hat er in Bananenschachteln gelagert. Dort warten sie auf jene fernen Tage, bis einige von ihnen einmal im Jahr während den Fasnachtstagen wieder einmal zum Leben erweckt werden.
Das Maskenschnitzen ist eine aufwändige Arbeit, eine äusserst subtile auch. Verschieden grosse Sägen und die unterschiedlichsten Stechbeitel, das wichtigste Handwerkszeug von Alberto Rainolter, liegen bereit, warten auf wärmere Tage. Zehn bis zwölf Masken schnitzt der Churer jedes Jahr, manchmal mehr. 120 Gesichter hat er bislang dem oft harten Holz abgerungen. Rainolter folgt keiner bestimmten Machart, bleibt nicht einer einmal gefundenen Technik verhaftet.

Vielfältige Formensprache

Wichtiger ist ihm die Spontaneität, die Kreativität, das Umsetzen seiner Ideen und Visionen. So kommt es, dass neben den archaischen Masken, naturalistische Masken und solche mit kubisch-geometrischer Formensprache entstehen. Er lässt sich und seinen Masken Zeit, lässt ihnen Raum, ihr Eigenleben zu entwickeln. Immer bezieht Rainolter die Struktur der Holzoberfläche in die langsam entstehenden Gesichter mit ein. Manche bemalt er; viele sind einfach fertig, wenn alles stimmt, sie fein abgeschmirgelt den letzten Finish erhalten haben.
Alberto Rainolter arbeitet mit Zwetschgen- und Apfelholz, mit Kirschbaum, Akazie oder Eibe. Die passenden Stücke sucht er selbst. Aber manche Hölzer, wie etwa die Eibe, sind schwer zu bekommen. Und dieses Glück klopft nicht jeden Tag an seine Türe. "Im letzten Jahr", erzählt der Maskenschnitzer noch immer mit Enttäuschung und gleichzeitig ärgerlichem Unterton in der Stimme, "habe ich zufällig gesehen, wie jemand eine Eibe fällte. Ich habe kein einziges Stück davon erhalten. Der Mann wollte alles verheizen." Wenig später dann findet Rainolter beim Gartenbauamt doch noch zufällig Eibenholz. Es reichte, um wenigstens ein paar Masken zu schnitzen. "Etwas besseres als Eibe gibt es dafür nicht." Gerne arbeitet er aber auch mit dem Holz der Akazie oder der Baumnuss. "Nussholz", sagt er, "habe ich zwar noch nie verarbeitet, würde es aber gerne einmal ausprobieren."
Rainolter hat schon immer gern mit seinen schmalgliedrigen Händen gearbeitet. Schon als Kind begann er zu malen, spielte Saxophon, lernte später Buchdrucker und wechselte nach zweijährigem Aufenthalt in
Marrakesch als Pfeifenmacher zu einem Felsberger Orgelbauer. Heute arbeitet er bei der Südostschweiz Print AG, macht Plattenkopien. Bei einem Aufenthalt in Toulouse entdeckte er die
Masken. Sie haben ihn stark berührt und nicht mehr losgelassen. Und er erinnerte sich zu jener Zeit auch wieder an seine Kindheit, als er an Mutters Hand das damals Furcht erregende Maskentreiben in Domat/Ems mit erlebte, an den Schrecken auch, den ihm die Masken des heute längst verstorbenen Emser Maskenschnitzers Albert Anton Willi einjagten.
Doch während sich Willi, der heute als einer der bedeutendsten Maskenschnitzer des Alpenraumes gilt, die Vorlagen zur plastischen Umsetzung seiner Masken im Verzerrspiel mit dem eigenen Gesicht holte - "er schnitt im Spiegel Fratzen und stand sich so selber Modell - unglaublich" - findet Rainolter auf ganz andere Art seine Ideen.
Er lässt sich sowohl von anderen Kulturen inspirieren, als auch von Fotos, Fernsehbildern, von Gesichtern. So führen ihn seine Eindrücke zu den unterschiedlichsten Ausdrücken und zu einer Maskenvielfalt, die kaum Grenzen kennt. Seine ständig wachsende Maskensammlung widerspiegelt seine Offenheit für das Ungewöhnliche und die Neugier auf Unbekanntes, Neues. Und auf seinen Reisen in ferne Länder hat Alberto Rainolter ebenso eine ganze Palette an verschiedenfarbigen Erden gesammelt. In kleinen Glasgefässen stehen sie auf der Fensterbank des Ateliers, um zu Farbe verarbeitet zu werden. Damit bemalt der Maskenschnitzer dann die fertigen Masken, sofern sie es überhaupt verlangen.

Masken zum Benützen

Zuallererst aber modelliert er aus dem ausgesuchten Stück Holz die Nase, arbeitet dann den Gesichtsausdruck nach und nach heraus. "Die Augen", erzählt er, "sind am schwierigsten, weil sie den Betrachter ja anschauen müssen." Macht Rainolter einen einzigen falschen Schnitt, verliert die Maske schnell an Ausdruckskraft. Nicht allein deshalb bringt er seine Ideen und Visionen zuerst zu Papier, erstellt danach ein Modell und überträgt dieses dann auf das Holz. Während des Schnitzens kann sich die Maske dennoch noch verändern. "Weil das Holz nicht alles zulässt, weil die Struktur vielleicht etwas anderes verlangt."
Rainolter ist an exaktes Arbeiten gewohnt. "Eine Maske soll gut sein, aber doch auch wieder nicht zu perfekt", sagt er. Hin und wieder verkauft er eine Maske. "Aber mir ist es lieber, sie bleiben in der Region. Ganz wichtig jedoch ist, dass die Masken auch benützt werden. Nur so werden sie wirklich zum Leben erweckt." Deshalb präpariert Albert Rainolter alle seine Masken mit Nasenschutz und Halteband und lehnt sie während den Fasnachtstagen verantwortungsvollen Fasnächtlern auch gerne aus.
Als der Churer Maskenschnitzer die alte Ateliertüre wieder verschliesst, bleibt das glückliche Lächeln noch einen Moment erhalten. Doch auch die Sehnsucht steht ihm im Gesicht geschrieben. Die Sehnsucht nach den warmen Tagen, wenn er wieder ein Stück Holz in die Hand nehmen und daraus eine Maske schnitzen kann.