Das Denkmal
Ich muss wohl was Wichtiges in und für diese Stadt sein.
Immer wieder bin ich das Stadtgespräch, noch mehr, Gegenstand politischer
Auseinandersetzungen.
Text: Domenic Buchli
Dabei geht es nicht um meine Person, vielmehr um den Ort an welchen ich
vor hundert Jahren hingestellt worden bin. Sie wissen, ich bin das Produkt
eines Wettbewerbs den der Zürcher Rudolf Kissling mir und der Stadt
zur Ehre gewonnen hatte. Seither bin ich nun im Park, na ja, der mehr
oder weniger gepflegt ist und in welchem sich mehr oder weniger nette
Leute oft aufhalten. Hier stehe ich, das Schwert haltend und meine, mir
die in der berühmten Schlacht zugefügte Bauchwunde zuhaltend.
Eine wahre Hassliebe pflege ich zu den Tauben. Sehr respektlos wie sie
sich mir gegenüber benehmen. Ab und zu denke ich mir, was wohl der
gute Kissling dazu sagen würde. Er wäre unbeschreiblich entsetzt,
was da diese Tauben seiner, mir, Bronzeplastik antun. Sie setzen sich
einfach so auf mein Schwert. Ja, es ist schon vorgekommen, dass sich eine
auf meinem Haupte niedergelassen hat. Und siehe da, schon hatte ein witziges
Fotogräfchen - ha, ha - nicht Gescheiteres zu tun gehabt, als mich
so abzulichten.
Ja, man macht sich lustig über mich, missbraucht mich zu politischen
Zwecken und schmiedet in meinem Namen böse zynische Witze über
die Ortspolizei. So soll ich mir angeblich den Bauch vor Lachen halten,
meinen Blick auf das städtische Polizeihauptquartier richten und
mit meinem Schwert in einer für Ortsansässige bekannte Richtung
weisen. Noch schlimmer trieb es ein temporär bei der kantonalen Bildungsstätte
an der Halde angestellter Geschichtsprofessor, ein zudem gewandter Journalist.
Völlig frei erfunden behauptete er, der hinterhältige Österreicher
habe mich damals nicht dort in der Bauchgegend erwischt, sondern weiter
unten und mehr zentral. Doch mich auf ein Denkmal zu hissen in einer solch
jämmerlichen Haltung wäre für die Nachwelt unpassend und
unheroisch gewesen. Übrigens nannte er dann seine Geschichte, in
welcher ich dermassen dargestellt werde, Stille Tage in Chur.
Von wegen Stille! Was da vor meiner Nase so seit ca. fünfzig Jahren
vorbeibraust ist nicht nur laut, es stinkt auch fürchterlich. Dagegen
war mein WC von anno damals auf meiner Burg direkt ein zeitgemässer
Parfumladen. Just für diese Dinger hätte man einen Stall, sie
nennen es Tiefgarage, unter meinem Denkmal erstellen wollen. Haben die
gestritten, die Zeitungen gefüllt. Doch ich halte mich da raus. Was
soll ich rätische Heldenfigur mich da in neuzeitliches Stadtgezänke
einmischen. Für mich und über mich wurden Festspiele geschrieben,
Feste veranstaltet, Wettschiessen finden statt. Ich hab einen festen Platz
im Stadtführer und wie schön, Fremdenführer blicken mit
ihren auf Informationen gierigen Touristen zu mir hoch. Ach wie gerne
höre ich ihnen zu und erfahre über mich und meine Zeit, meine
epochale Schlacht am Südtirolerzoll, Sachen die ich nie erlebt habe.
Nur den Bauchschuss den hätten die verdammten Feinde mir nicht zu
verpassen brauchen. Das war ein Stress: ich musste die Wunde decken, die
Eingeweide bändigen und gleichzeitig noch den Kopf bei der Sache
halten um einen geschichtsträchtigen Satz herauszurufen. Etwas für
meine braven Bauernkrieger, auf das sie noch wilder darauflos droschen,
unserem späteren Vaterlande zuliebe. Verrückt eigentlich: ich
war in meiner irdischen Todesstunde noch ein grosser Motivator.
So was wie Achtet nicht auf mich, kämpft weiter
allerdings
notabene in der nach neuester Volkszählung so arg gefährdeten
Sprache. Da habe ich ein gutes Gewissen: ich hab mich an den nicht vorhandenen
Sprachenartikel auch in der grössten Not gehalten. Gerührt hat
es mich vor Jahren, als Menschen in einer mir weitgehend unbekannten Sprache
einen Kranz vor mir niedergelegt und mich als Inbegriff eines Helden der
Freiheit gepriesen haben. Ich bin noch heute davon überzeugt, denen
war das ein ganz ehrliches und vor bitteren Erlebnissen geprägtes
Anliegen. Von den Leuten von hier bekam ich kaum mal einen Kranz, geschweige
denn so schöne Worte zu hören. Im Gegenteil: Unterhöhlen
wollen sie mich. Jetzt herrscht, soviel ich weiss und von hier oben herab
beurteilen kann, wieder Ruhe. Doch wie lange? Es nimmt alles wieder seinen
Gang, wie gehabt. Menschen sind im Park, ab und zu bleibt jemand oder
eine ganze Schar von Menschen vor mir stehen und betrachtet mich. Es fallen
ab und zu Äusserungen über mich. Ich höre da gar nicht
mehr hin, was sie auch sagen. Sollen sie sich doch lustig machen über
mich! Nur einmal, erst kürzlich, habe ich ganz genau hingehört
und seither bin ich in meiner Persönlichkeit angeschlagen. Ich muss
so weit gehen und eingestehen, ich wünschte es wäre einer dieser
Witze oder eine zynische Bemerkung gewesen: zwei Knirpse standen da vor
mir, schauten ehrfürchtig zu mir hinauf, da habe ich mich noch mächtig
darüber gefreut, da sagte der eine zum andern: das ist nun der Herr
der Ringe. Spinnst du, gab der andere energisch zurück: das ist Harry
Potter.
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