Die
Tage werden länger und nicht nur sie. Die Mitglieder des anderen
Geschlechtes wirken noch schöner als vor ein paar Wochen. Vergessen
der Herbst, als die Männer meinten, sie könnten verduften,
nur weil die Frauen verblühen. Die Temperaturen steigen, die
Kleider werden luftiger, die Anzahl der Liebespaare steigt. Schuld
daran ist tatsächlich der Frühling, oder genauer: die
Chemie. Das viele Licht verändert den Hormonspiegel, und die
sexuelle Erregbarkeit steigt. Parallelen zum Tierreich sind nicht
von der Hand zu weisen. So kommt bei Vögeln die gleichnamige
Tätigkeit vor allem im Frühling vor, aus klimatischen,
hormonellen und auch aus praktischen Gründen. Schliesslich
baut man sich das Nest in dieser Jahreszeit und nicht im Winter.
Und
dieser Nestbau dürfte auch beim Menschen weniger christliche oder
heidnische Gründe haben als vielmehr auf die gleichen Instinkte
wie bei den Tieren zurückgehen. Weil wir ein Volk von Mietern sind,
müssen wir das Nest nicht mehr bauen. Putzen können wir es aber
allemal. Dazu drängt uns der Instinkt, und die Umwelt macht es uns
täglich vor. Etwa das Strassenbauamt, das regelmässig die im Herbst
frisch geteerten Strassen aufreisst. Oder die Bahn, die nächtelang
neue Gleise verlegt und uns den Schlaf raubt, den man auch am Tag
nicht findet. Also kommt es nicht mehr drauf an; wenn wir schon
diese evolutionsbedingte Erregung in uns spüren, können wir uns
auch gleich selbst am Frühjahrsputz beteiligen. Dass dann die Fenster
nicht mehr dicht sind, kann schon passieren. Vor allem, wenn wir
das erste Mal in der Drogerie ein Dampfreinigungsgerät mieten und
damit nicht nur den Schimmel, sondern auch gleich noch die Fugen
umbringen. Zu viel Reinigung ist nämlich ungesund. Das sagen sich
etwa die Bergbewohner im Norden Thailands, die sich nur einmal im
Jahr mit Seife und Wasser waschen. Dies allerdings jedes Jahr, ob
es nötig ist oder nicht. Vielleicht ist das der Grund, weshalb bei
uns mehr Geld gewaschen wird als andernorts Bergbewohner. Es muss
nur gewaschen werden, was schmutzig ist. Das erinnert uns an ein
Gespräch zwischen zwei Bilanzen. Sagt die eine zur andern: ´Du siehst
trotz des schlechten Jahres gut aus, wo lässt Du Dich frisieren?ª
Erich Kästner hat schon früh erkannt: ´Das meiste auf der Welt geht
nicht durch Gebrauch kaputt, sondern durch Putzen.ª Kommt dann endlich
Ostern, dann sind wir geputzt und der Reinlichkeitswahn legt sich
langsam. Zeit, dass man andere an unserem Glück teilhaben lässt.
´Ist es dann an Ostern schön und warm, kommt die Verwandtschaft
und frisst Dich armª, heisst der Anfang einer halben Weisheit. Die
andere Hälfte lautet: ´Ist es an Pfingsten schön und heiter, kommen
sie wieder — und fressen weiter!ª Aber wenigstens wissen wir, weshalb
unsere Wohnung stubenrein gestylt wurde.
Stefan
Bühler
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