Dumme Frage, selbstverständlich verstehen wir Spass. Schliesslich sind wir Kinder der "Spassgesellschaft" und das seit bald 10 Jahren. Erstmals taucht der Begriff "Spassgesellschaft" nämlich am 23. Januar 1993 in einem Bericht einer Berliner Zeitung über Fussball auf. In der Folge frisst er sich durch die Schlagzeilen der deutschen Zeitschriften über die Schweizer Sonntagspresse und fasst Fuss auch in der äussersten Provinz. Bei uns allerdings weniger im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten, weil dieser kaum zu erkennen ist: Abstieg des EHC Chur in die Jammerliga, keine Finalteilnahme des amtierenden Schweizer Unihockey-Meisters Rot-Weiss Chur in den laufenden Playoffs, und beim Fussball mit Chur 97 hält sich das Spassige auch in Grenzen.

 

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Stefan Bühler


Verstehen wir Spass?

Wenn trotzdem laufend von der Spassgesellschaft die Rede ist, dann deshalb, weil deren Ende naht. Angekündigt hat das als erster Peter Scholl-Latour, dem die Erleichterung darüber schon wieder Spass bereitete. Endlich passt sich die Gesellschaft wieder jenen Oldies an, die sonst keinen Spass verstehen. Vor allem dann nicht, wenn sie uns die Welt erklären. Und in Berlin fiel ausgerechnet der letzte Vorhang über das spassigste Dekolleté, um undiplomatisch das Ende
der diplomatischen Spassgesellschaft zu beschliessen. Hatte die Literaturkritikerin Sigrid Löffler Recht, als sie schon vor Jahren das Fazit zog: "Die Spassgesellschaft hat sich ausgewitzelt"?
Inzwischen wurde der Spass auf 160 Zeichen SMS-Grösse konfektioniert. Was früher am Stammtisch noch als ganze
Anekdote ausgeschmückt wurde, ist heute nicht mehr reine Männersache. Zoten können jetzt auch eschlechtsunabhängig ausgetauscht werden, noch wird das Handy nicht rot deswegen. Offenbar ein weiterer Schritt zur vollen Emanzipation. Da werden dann so mutige Sprüche geladen wie: "Shawne Fielding wurde im Do-it gesehen. Sie erwarb sich einen neuen Borer, weil der alte nichts mehr taugt."
So viel geballter Humor hebt sich wohltuend ab von der einfachen Fröhlichkeit, wie wir ihr auch in Chur täglich begegnen. Wie langweilig wäre es doch, wenn wir nicht nach jedem Zusammentreffen von drei Prominenten am anderen Tag lesen könnten, dass sich der Dieter Heller ans Buffet gedrängt hat, der zweite Prominente mitsamt spanischer Wand vom Barhocker fiel und der Kino-Räber glücklich ist, wenn sich alle an seiner Tränke laben. Auch wenn wir diesen Satz noch weitere 200 Mal lesen dürfen, er lässt unsere Lachmuskeln immer wieder erzittern. Geistesblitze dieser Art überleben sich nie, und vom Leser wird erwartet, dass er sich von diesem Angriff auf das Zwerchfell bis zur nächsten Wiederholung erholt hat, sofern er ihn überlebt. Daran ändert auch nichts, wenn niemand mehr weiss, wer Dieter Heller war.
Schlimmer als das Ende der Spassgesellschaft ist wohl die Ernsthaftigkeit, mit welcher diese gepflegt wird. Ob Harald Schmidt, Stefan Raab oder der Prinz Charles of Wales, sie sind die zuverlässigen Animatoren. Fernsehen und die Kirche schaffen neue Rahmenbedingungen, bis dass der Spass vergeht. Beim Fernsehen ab Mitternacht, wenn man beim Sex nicht mehr allein ist, und bei Charles, weil die
Kirche bald einmal eine Heirat mit Camilla Parker Bowles gesetzlich ermöglichen wird.
Das verdirbt der 75-jährigen Monarchin Elisabeth etwas die Freude, aber sie ist selber schuld. Schliesslich war sie es, die ihren Sohn alles besteigen liess, nur nicht den Thron. Nun wird sie sich damit abfinden müssen, auch wenn Charles der erste geschiedene Monarch nach 280 Jahren ist. Was heisst das schon! Mozart hat sein Così fan tutte auch vor über 200 Jahren zum Thema Treue geschrieben, und Shakespears lustige Weiber von Windsor dienten vielen als Vorbild. Sogar Giuseppe Verdi, dessen letzte Oper die Spassgesellschaft vor über 100 Jahren beschreibt. Wenn der trinkfeste Falstaff sagt: "Der Bauch ist mein Königreich, und ich werde ihn noch vergrössern", macht er damit keine Propaganda für den neuzeitlichen Slogan: "Mein Bauch gehört mir." Er meint es so, wie er es sagt. Und schliesslich stammt auch vom dickbäuchigen Falstaff das einzig gültige Zitat, das uns die Spassgesellschaft auch für die Zukunft garantiert: "Tutto nel mondo è burla." Eben - alles auf Erden ist Spass.

Stefan Bühler