Wenn
trotzdem laufend von der Spassgesellschaft die Rede ist, dann deshalb,
weil deren Ende naht. Angekündigt hat das als erster Peter
Scholl-Latour, dem die Erleichterung darüber schon wieder Spass
bereitete. Endlich passt sich die Gesellschaft wieder jenen Oldies
an, die sonst keinen Spass verstehen. Vor allem dann nicht, wenn
sie uns die Welt erklären. Und in Berlin fiel ausgerechnet
der letzte Vorhang über das spassigste Dekolleté, um
undiplomatisch das Ende
der diplomatischen Spassgesellschaft zu beschliessen. Hatte die
Literaturkritikerin Sigrid Löffler Recht, als sie schon vor
Jahren das Fazit zog: "Die Spassgesellschaft hat sich ausgewitzelt"?
Inzwischen wurde der Spass auf 160 Zeichen SMS-Grösse konfektioniert.
Was früher am Stammtisch noch als ganze
Anekdote ausgeschmückt wurde, ist heute nicht mehr reine Männersache.
Zoten können jetzt auch eschlechtsunabhängig ausgetauscht
werden, noch wird das Handy nicht rot deswegen. Offenbar ein weiterer
Schritt zur vollen Emanzipation. Da werden dann so mutige Sprüche
geladen wie: "Shawne Fielding wurde im Do-it gesehen. Sie erwarb
sich einen neuen Borer, weil der alte nichts mehr taugt."
So viel geballter Humor hebt sich wohltuend ab von der einfachen
Fröhlichkeit, wie wir ihr auch in Chur täglich begegnen.
Wie langweilig wäre es doch, wenn wir nicht nach jedem Zusammentreffen
von drei Prominenten am anderen Tag lesen könnten, dass sich
der Dieter Heller ans Buffet gedrängt hat, der zweite Prominente
mitsamt spanischer Wand vom Barhocker fiel und der Kino-Räber
glücklich ist, wenn sich alle an seiner Tränke laben.
Auch wenn wir diesen Satz noch weitere 200 Mal lesen dürfen,
er lässt unsere Lachmuskeln immer wieder erzittern. Geistesblitze
dieser Art überleben sich nie, und vom Leser wird erwartet,
dass er sich von diesem Angriff auf das Zwerchfell bis zur nächsten
Wiederholung erholt hat, sofern er ihn überlebt. Daran ändert
auch nichts, wenn niemand mehr weiss, wer Dieter Heller war.
Schlimmer als das Ende der Spassgesellschaft ist wohl die Ernsthaftigkeit,
mit welcher diese gepflegt wird. Ob Harald Schmidt, Stefan Raab
oder der Prinz Charles of Wales, sie sind die zuverlässigen
Animatoren. Fernsehen und die Kirche schaffen neue Rahmenbedingungen,
bis dass der Spass vergeht. Beim Fernsehen ab Mitternacht, wenn
man beim Sex nicht mehr allein ist, und bei Charles, weil die
Kirche bald einmal eine Heirat mit Camilla Parker Bowles gesetzlich
ermöglichen wird.
Das verdirbt der 75-jährigen Monarchin Elisabeth etwas die
Freude, aber sie ist selber schuld. Schliesslich war sie es, die
ihren Sohn alles besteigen liess, nur nicht den Thron. Nun wird
sie sich damit abfinden müssen, auch wenn Charles der erste
geschiedene Monarch nach 280 Jahren ist. Was heisst das schon! Mozart
hat sein Così fan tutte auch vor über 200 Jahren zum
Thema Treue geschrieben, und Shakespears lustige Weiber von Windsor
dienten vielen als Vorbild. Sogar Giuseppe Verdi, dessen letzte
Oper die Spassgesellschaft vor über 100 Jahren beschreibt.
Wenn der trinkfeste Falstaff sagt: "Der Bauch ist mein Königreich,
und ich werde ihn noch vergrössern", macht er damit keine
Propaganda für den neuzeitlichen Slogan: "Mein Bauch gehört
mir." Er meint es so, wie er es sagt. Und schliesslich stammt
auch vom dickbäuchigen Falstaff das einzig gültige Zitat,
das uns die Spassgesellschaft auch für die Zukunft garantiert:
"Tutto nel mondo è burla." Eben - alles auf Erden
ist Spass.
Stefan
Bühler
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