Chur
ohne Gefängnis, da kommt schon etwas Wehmut auf. Das Sennhofareal
wurde vom Kanton zwar erst 1817 erworben, um eine Strafanstalt für
vorerst 30 Häftlinge einzurichten, immerhin zeigte dieser Entscheid
kurz nach dem Beitritt zur Eidgenossenschaft, dass auch die damalige
Regierung durchaus in der Lage war, Akzente zu setzen. Vielleicht
stand sie noch unter dem Eindruck des bekanntesten Gefangenen, der
1786 in Untervaz verhaftet worden war, dem Zigeuner Jacob Reinhardt,
besser bekannt unter dem Namen Hannikel. Der war noch im Schelmenturm
beim heutigen Postplatz inhaftiert, bis er durch ein Loch in der
Mauer die Flucht ergreifen konnte.
Im Sennhof selbst verkehrte dann auch viel Prominenz. Der jüdische
Medinzinstudent David Frankfurter etwa, der am 4. Februar 1936 in
Davos den Führer der Landesgruppe Schweiz der Nazis, Wilhelm
Gustloff, erschoss und dafür vom Kantonsgericht wegen Mordes
zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
In guter Erinnerung hatten die Insassen einen weiteren Prominenten,
den Bestsellerautor Erich von Däniken, der im Februar 1970
vom Kantonsgericht Graubünden wegen Betruges zu dreieinhalb
Jahren Zuchthaus verurteilt worden war. Sein zweites Buch "Zurück
zu den Sternen" hat er während der 452- tägigen Untersuchungshaft
geschrieben. Gesiebte Luft kannte er schon von seiner Jugendzeit
her, nicht, weil er und sein Freund im Jahre 1945 beim Spielen versehentlich
die Schaffhauser Badeanstalt abgefackelt hatten, wohl aber seit
seiner ersten Verurteilung im Jahre 1957 wegen Betruges. Ein Schuft,
wer glaubt, Erich von Däniken würde heute einfach seine
Leser betrügen, nur weil er so viel Unsinn behauptet. Im Sennhof
war im Turm lange die Bibliothek untergebracht, wo der Autor sein
erstes Buch mit einer Widmung an
die lieben Mithäftlinge versah. Anstelle dieser Bibliothek
wurde ein Gebetsraum für Moslems eingerichtet.
Viele Insassen sitzen übrigens wegen ihrem Glauben in einer
der 51 Zellen. Jene nämlich, die glauben, man könne auch
alkoholisiert ungestraft Autofahren.
Für viel Aufsehen sorgte ein österreichischer Heiratsschwindler,
der über zehn Jahre absitzen musste. Wegen Vielweiberei kommt
man heute nicht mehr in den Sennhof, weder zur Strafe noch zur Erholung.
Vielleicht widerfährt dem städtischen Gefängnis das
gleiche Schicksal wie jenem von Luzern: Dieses wurde zum Hotel umgestaltet.
Stefan
Bühler
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