Partnerstadt

Im Geben und Nehmen lebt die Jumelage fort

Kaiserin Eugenie war zwar nicht die erste Badenixe an der Küste von Cabourg, aber sie legte immerhin den Grundstein dazu, dass sich das Städtchen zu einem bekannten Badeort entwickeln konnte. Vielen Churern ist Cabourg, die Churer Partnerstadt, auch ans Herz gewachsen.

Text: Karin Huber

Die Normandie, das haben viele Churer bereits herausgefunden, ist immer eine Reise wert. Viele von ihnen haben das kleine Städtchen an der normannischen Küste über die städtepartnerschaftlichen Beziehungen, die seit Jahrzehnten zwischen Chur und Cabourg bestehen, kennen gelernt. Dem Charme und der Herzlichkeit der Cabourger und der bis heute im Städtchen bewahrten "Belle Epoque" konnte sich insbesondere Judith Durisch-Vieli nie entziehen. Während ihrer Zeit als langjährige Churer Gemeinderätin hat sie sich zwischen 1984 und 1994 mit grossem Engagement um die Städtepartnerschaft gekümmert.

Botschafterin von Chur
Sie erinnert sich noch gut daran, wie sie mit den Nachwuchsspielern des FC Neustadt und den jüngsten Mitgliedern der Musikgesellschaft Union nach Cabourg reiste. "Wir erlebten dort wunderschöne Begegnungen, die wirklich von Herzlichkeit geprägt waren". Als Judith Durisch das erste Mal zusammen mit den Schülerinnen und Schülern an die normannische Atlantikküste reiste, "da hat es mich einfach gepackt". Sie hat es als schöne Aufgabe angesehen, die Schüler zu betreuen, eine andere Kultur wie auch viele neue Menschen kennen zu lernen und so die Beziehungen zwischen den Partnerstädten zu intensivieren und zu leben. Judith Durisch selbst war während ihres zehnjährigen Einsatzes gleichsam auch Botschafterin von Chur.
Während dieser Zeit hat sie ganz aus freiwilligen Stücken jedes Jahr zwei Wochen Ferien geopfert, um den Jugendlichen den Gedanken der Partnerschaft näher zu bringen. "In den ersten Jahren habe ich immer alles selber bezahlt", erzählt sie. Wer sich so wie Judith Durisch einsetzt(e), kann dies nicht ohne eine gehörige Portion Idealismus. "Mit Geld allein lässt sich so etwas nicht messen. Aber wenn man die Gesichter der Kinder anschaut, ist das Lohn genug. Es ist ein Geben und Nehmen. Und genau hier lebt der Gedanke von 1956, als die Jumelage gegründet wurde, fort", resümiert Judith Durisch.

Eine Cabourger Clique
Ihre beiden Ferienwochen teilte sie jeweils auf für die einwöchige Reise nach Cabourg und für die einwöchige Churer Reise der Cabourger Schüler. "Nicht wenige von ihnen lernten auf Brambrüesch Skifahren", erinnert sich Durisch. Die jungen Leute lebten während den Schüleraustauschwochen bei Churer Gastfamilien. "Mit der Zeit ist daraus eine richtige Cabourg-Clique entstanden, da die Kontakte regelmässig gepflegt wurden und man sich in beiden Städten getroffen hat."
Judith Durisch wunderte sich zwar anfänglich noch, wie schnell die Churer Schüler in Cabourg französisch lernten.
Vor allem aber freute sie sich darüber. "Es war auch einfach schön mit anzusehen, wie schnell Freundschaften geschlossen wurden". Sehr unterstützt worden war die Pflege der Partnerstädte auch vom damaligen Bürgermeister. So schenkte dieser der Stadt eine Jugendstilvilla, die er für die in der Jumelage vereinigten Städte als ein Ort der Begegnung vorsah.
Im Juli 1994 ist Judith Durisch letztmals in Cabourg gewesen, und zwar während eines grossen Festes, an dem die "d-days" in Erinnerung an den Abzug der Alliierten nach dem Krieg gefeiert wurden. "Während des Krieges sahen die Menschen hier noch in 80 km Entfernung den Himmel brennen. Deshalb hat für sie der Gedanke des Friedens noch immer eine sehr tiefe Bedeutung. Und deshalb engagiert man sich in Cabourg auch sehr stark in der Städtepartnerschaft und Jugendförderung", weiss Judith Durisch.
Für sie selbst indes ist der ursprüngliche Gründungsgedanke der Jumelage nicht mehr aktuell, "denn die heute offenen Grenzen wirken ja auch völkerverbindend". Das bedeutet für Durisch allerdings nicht, dass man die Städtepartnerschaft nicht weiterhin pflegen sollte. "Leider ist dieser Gedanke in der Politik schlecht verankert." Das war nicht immer so, kümmerte sich doch etwa der vor Jahren verstorbene ehemalige Churer Stadtpräsident Andrea Melchior sehr um die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Städten. Judith Durisch würde es deshalb begrüssen, wenn die Stadt Chur in dieser Frage klar Stellung beziehen würde. "Denn entweder lebt man die Jumelage oder dann löst man sie auf."
In Cabourg wird die Jumelage und der kulturelle Austausch nach wie vor gelebt. Unter anderem haben 1999 viele Cabourger die Churer Fasnacht besucht. "Wir haben für sie Calvados-Flaschen genäht. In diesen Kostümen haben die Cabourger dann auch mit viel Lust am Fasnachtsumzug teilgenommen", blickt Judith Durisch gerne zurück. Seit 1997 sorgt nun Margrit Schüpbach im Auftrag der Stadt Chur mit ebenso grossem Engagement für die Betreuung der Jugendlichen.

Cabourg hat viel zu bieten
"Der Erinnerung an Marcel Proust kann man in Cabourg kaum aus dem Weg gehen", ist im Reiseführer nachzulesen. Schon als zehnjähriger Bub verbrachte Proust wegen seinen Asthmaproblemen einen ganzen Sommer lang im berühmten direkt am Meer liegenden Grand Hôtel, wo er auch später, zwischen 1907 und 1914 jeden Sommer logierte. Nach ihm benannten die Cabourger die Strandpromenade. Und noch heute wird der berühmte Marcel-Proust-Preis während den Literaturtagen verliehen.
Cabourg liegt an der Atlantikküste und an der Dives-Mündung. Die Wurzeln des Ortes reichen bis ins Jahr 1066 zurück. Bereits 1860 wurde Cabourg zum Badeort, dem Kaiserin Eugenie letztlich zum Durchbruch verhelfen sollte. Denn sie war es, die das Baden im Meer populär machte. Hier trafen sich anfänglich die Repräsentanten des Kaiserhauses und der Adel. Heute tummeln sich vor allem Touristen aus der ganzen Welt im "Belle-Epoque"-Städtchen. Baden, segeln und Hochseeangeln zählen zu den sportlichen Aktivitäten. Am Hafen decken sich die Einheimischen täglich mit fangfrischem Fisch und Meeresfrüchten ein. Das hübsche Städtchen selbst und die nähere Umgebung kann man entlang der zahlreichen Kanäle gut mit dem Velo oder auch hoch zu Ross erkunden. Im ornithologischen Reservat werden den Gästen geführte Wanderungen angeboten. Das Nachtleben spielt sich unter anderem im Grand Casino mit Bar, Restaurant und Diskothek ab. Cabourg, das französische Zentrum des Trabrennsports, verfügt über drei Museen und zahlreiche gute Restaurants. Infos über die Churer Partnerstadt Cabourg kann man abrufen unter: www.cabourg-web.com