Da müsste man ja Flagge zeigen. Und das ist gerade out. Verständlich,
nach Skyguide, Swissair, Borer, Börse und Buh-Managern schämt
man sich halt ein wenig. Da haben wir nur noch darauf gewartet,
dass die Schweizer Fahne wie an der Expo.02 ganz verboten wird.
Nun hat die SVP wenigstens den Sprung von der politischen Plattitüde
zum höheren Blödsinn geschafft: sie offeriert dem bundesrätlichen
Referenten einen Notfallkoffer für die Ansprache zum Nationalfeiertag.
Inhalt: eine Schweizerfahne. Mit Flaggen weiss die Partei der Alphornschwinger
und Fahnenbläser jedenfalls umzugehen: im März reichte
einer ihrer Parlamentarier eine Motion ein mit dem Ziel, eine neue
Regelung für die Beflaggung des Bundeshauses zu erwirken. Während
den Sessionen der eidgenössischen Räte soll das Parlamentsgebäude
vom ersten bis zum letzten Sessionstag mit einer Schweizerfahne
auf den zwei südlichen Kuppeln, einer Schweizerfahne auf dem
Nordbalkon über dem Haupteingang und allen Kantonsfahnen auf
dem Nordbalkon des Parlamentsgebäudes beflaggt werden. Von
den Fahnen, die jeweils aus der Bellevue-Bar getragen werden, ist
im Vorstoss nicht die Rede. Die Legislative erhält dank diesem
Vorstoss Gelegenheit, grundlegende Kenntnisse über Sinn und
Zweck einer Fahne zu erarbeiten.
Gewiss, in Chur haben wir eigentlich ein ungestörtes Verhältnis
zur Fahne. Unsere Reportage in diesem Heft zeigt, dass hier eine
Firma sogar Fahnen herstellt. Und wehen tun sie auch, behördlich
verordnet am Grauen Haus und am Rathaus.
Manche mögen sich noch daran erinnern, dass ein grosser Teil
der 3000 Schweizer Gemeindefähnchen in der Oberen Gasse wehten,
bis die letzte Faser vergilbt war. Und sogar ein Festspiel gab es
einst, zum eidgenössischen Schützenfest 1985 in Chur nämlich,
als auf der Quader "Napoleon oder das Fähnlein der sieben
Aufrechten" aufgeführt wurde. In Anlehnung an die Novelle
von Gottfried Keller, die das Schützenfest von 1849 in Aarau
zum Thema hat, das zum nationalen Versöhnungsfest wurde. Die
Fahne durfte da noch im Mittelpunkt stehen. Bei Keller heisst es
dann: "Denn plötzlich stellte sich die Wahrheit heraus,
dass zu einer Fahne ein Sprecher gehöre, wenn man mit derselben
aufziehen wolle." Was tun, wenn man keinen Sprecher hat? Auch
egal, was wir am Nationalfeiertag brauchen ist etwas mehr Stolz
und Selbstbewusstsein. Und die Fahne als Symbol für
die Versöhnung. Sieh nach bei Gottfried Keller.
Stefan
Bühler
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