Mit der 19-jährigen Nadine Vinzens hat Chur erstmals eine Miss Schweiz hervorgebracht und ist natürlich zu Recht stolz darauf, dass so ein schönes Kind für ein Jahr würdige Vertreterin unseres Landes sein wird. Die erste Miss aus Chur? Nicht ganz. Aus der Politiker-Familie Lardelli überzeugte schon einmal eine Churerin eine Miss-Jury.
Entscheidend war auch damals nicht die politische Ausstrahlung, vielmehr die Tatsache, dass die Schweiz erfuhr, wie man Capuns und Maluns zubereitet und dabei gleichzeitig glücklich in die Kamera lächelt. Zwar hat es etwas gedauert von der Alda zur Nadine, wir dürfen es aber noch erleben und uns an diesem Remake erfreuen.

 

buehler.jpg (7132 Byte)
Stefan Bühler


Von Miss und Missen

Nadine wird Werbung machen für Chur und hat sich dabei schon erste Verdienste erworben. Mit ihrem Bekenntnis zu Brambrüesch nämlich holte sie bei der letzten Abstimmung die entscheidenden Stimmen für eine Mehrheit zugunsten der Bahn. Eine ehemalige Miss Texas hat uns schon gezeigt, wie man es als Botschafterin macht. So stellt man sich eben auch eine Miss Schweiz vor, als Botschafterin ihrer Heimat ohne politische Verdorbenheit. Da konnten Stadtrat, Gemeinderat, Parteien und die Medien eine geballte Nein-Front gegen die Initiative Pro Brambrüesch aufbauen, bis eine Miss kommt, die von sich behauptet, von Politik nicht viel zu verstehen. Und das ist gut so. Es gewann die emotionale Seite Oberhand. Die neue Miss Schweiz wird uns sicher noch weiter viel Freude bereiten. Nicht nur hier wird sie ihre Auftritte haben, es zieht sie sogar ins Ausland. Was ja schliesslich auch sehr rücksichtsvoll von ihr ist. Die Initianten für die Erhaltung der Brambrüeschbahn setzten eben auf die Miss Schweiz, die Gegner auf die Miss Lungen.
Nur weil das Volk im Zuge der Misswahlen für einmal der Politik mit der Miss Trauen begegnete, heisst das noch lange nicht, dass Chur bald auch die Miss Wirtschaft stellen wird. "Erholung muss nicht rentieren", heisst der Slogan der Stunde. Es gibt genug andere Faktoren, die unser Leben verkürzen. Alkoholismus etwa reduziert die Lebenserwartung um 12 Jahre und Einsamkeit um 5 Jahre. Der Entscheid ist also nicht einfach, ob man nun trinken soll, um nicht allein zu sein. Oder umgekehrt. Einfacher Alkoholkonsum trägt nur zu einer Reduktion von 125 Tagen bei und liegt damit noch vor der Tätigkeit in einer Regierung, welche die Lebenserwartung um 60 Tage senkt. Stürze werden mit 28 Tagen gelistet, wobei die Regierungstätigkeit und die Stürze nicht kumuliert werden dürfen. Hundebisse sind zu vernachlässigen (0,12 Tage), nicht aber eine rudimentäre Schulbildung, die unser Leben um 900 Tage verkürzt. Womit wir bei der um sich greifenden Miss Bildung sind, wie sie in der Pisa-Studie zum Ausdruck kommt. Wie schlecht es um die deutsche Sprache steht, hören wir täglich am Radio. Und geschichtliche Zusammenhänge sind schon längst nicht mehr gefragt. Wer weiss heute schon, dass Peter Ustinov einst Rom angezündet hat? Investieren wir also lieber wie bei Brambrüesch in unsere Jugend, statt uns immer schneller in immer mehr Kreisel zu bewegen.

Stefan Bühler



zurück