Marktzeit
Die Blätter sind gefallen, der Herbst ist in voller Blüte
und die Vorboten der Weihnachtszeit halten still und leise Einzug in die
Stadt. Unübersehbare Zeichen dafür sind nicht nur der Geruch
gebratener Maronis über dem Bahnhof- und Postplatz oder die ersten
auf Bescherungsstimmung getrimmten Schaufensterauslagen der Geschäfte.
Die bevorstehenden Märkte tun das Ihrige dazu.
Text: Walter Schmid
26 Mal haben in diesem Jahr Bäuerinnen und Bauern aus Chur, der
näheren und weiteren Umgebung ihre selbstproduzierten Spezialitäten,
Frisch- und Bioprodukte an den Wochenmarkt in der Altstadt gebracht. 26
Mal hatte die Bevölkerung Gelegenheit, sich jeweils am Samstagvormittag
mit Köstlichkeiten von über zwei Dutzend einheimischen Produzenten
einzudecken, Marktatmosphäre zu geniessen und Kontakte mit der Landbevölkerung
zu knüpfen. Im 15. Jahr des erfolgreichen und bei der Bevölkerung
äusserst beliebten Churer Wochenmarktes, setzen die Anbieter mit
ihrer Präsenz am Samstag, 2. November, den Schlusspunkt der diesjährigen
Saison.
Auf überwintern ausgerichtet
Die Vegetationszeit ist zwar weitgehend zu Ende gegangen und einzelne
Frostnächte haben den Pflanzen bereits etwas zugesetzt. Trotzdem
bieten vor allem die landwirtschaftlichen Betriebe aus dem Churer Rheintal
auch am letzten Wochenmarkt immer noch das ganze Sortiment an frischem
Gemüse an. Dazu werden saisonal bedingt jene haltbaren Produkte "aufgetischt",
die auch der Stadtbevölkerung das Überwintern erleichtern und
den Markt bis zum nächsten Frühling nicht in Vergessenheit geraten
lassen: Kartoffeln, Trockenfleisch, Wurstwaren, Käse, Confitüren
etc. Während einzelne Marktfahrer immer noch Schnittblumen im Angebot
führen, präsentieren andere liebevoll hergerichtete Trockenblumen-Arrangements
und -Gestecke, sowie vorweihnächtliche Produkte.
Wie an all den vorangegangenen ist auch am letzten Churer Wochenmarkt
des Jahres für die BesucherInnen eines sicher: In Ruhe vergleichen,
auswählen, sich über Produkte informieren lassen, Neuheiten
austauschen, Rezepte erfahren, die unvergleichlichen Düfte einatmen,
Bekannte und Freunde treffen und Kontakte zur Landbevölkerung pflegen.
Letzter Gänggelimarkt
Am Samstag, 2. November, bietet sich in diesem Jahr auch die letzte Gelegenheit,
sich am Floh- & Gänggalimarkt von scheinbar nicht mehr Brauchbarem
zu trennen und möglicherweise daraus Kapital zu schlagen - oder anders
gesagt, um einfach auf Schnäppchenjagd zu gehen, oder um endlich
das zu finden, wonach schon jahrelang gesucht wurde. Zwischen 7.00 und
12.00 Uhr ist das Marktgebiet Arcas und Martinsplatz geöffnet. Und
eingefleischte Gänggalimarkt-Freaks wissen es schon seit der Einführung
dieser Institution durch die Klibühni vor mehr als einem Vierteljahrhundert:
Wer zeitig auf Stöbertour geht, hat die grössten Chancen, sich
selbst mit einer oder mehreren echten Trouvaille zu beschenken.
Hosenträger und Zuckerwatte
Der 30. November ist der Tag des Andreas. Ihm zu Ehren hat vor genau 25
Jahren die damalige Poststrasse-Vereinigung den Andreasmarkt wieder aufleben
lassen, der heuer am 22. und 23. November stattfindet. Rund 55 vorwiegend
aus der Region Ostschweiz hergereiste Marktfahrer belegen ab Freitag von
9.00 bis 20.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 17.00 Uhr die Poststrasse
und bieten ein Sammelsurium zwischen täglichen Gebrauchsartikeln,
Haushaltgeräten, Kleidern, Geschenksartikeln, Spielwaren und Süssigkeiten.
Die nach wie vor ungebrochene Beliebtheit des Andreasmarktes zeigt sich
darin, dass sich die BesucherInnen aus der grossräumigen Region um
Chur rekrutieren. Viele angebotene Artikel sind in "normalen"
Geschäften gar nicht zu finden - sie aufzustöbern ist nur ein
Grund, sich ins Andreasmarkt-Getümmel zu stürzen.
Das nötige Wissen rund um den Andreastag und -Markt kann man sich
bereits am Samstag, 16. November, aneignen. Im Rahmen des "Schweizerischen
Archivtages" ist im Stadtarchiv (Rathaus) zwischen 9.00 und 16.00
Uhr eine interessante Ausstellung zum Thema Markt zu besichtigen.
Ouvertüre mit dem Weihnachtsmarkt
Endgültig eingeläutet wird die festliche Einkaufszeit in Chur
mit dem Weihnachtsmarkt am 29. und 30. November. Mit rund 120 Anbietern
im Gebiet Obere Gasse, Ochsenplatz, Untere Gasse, Kornplatz und Martinsplatz
gilt er als grösster Weihnachtsmarkt der Schweiz. Die Vereinigung
Churer Altstadt als Organisatorin hält auch in diesem Jahr am traditionellen
Konzept fest. So stehen ausschliesslich kunsthandwerkliche Advents- und
Weihnachtsprodukte aus der
Region im Marktangebot. Umrahmt wird die festlich-besinnliche Veranstaltung
mit verschiedenen musikalischen Darbietungen. Die Marktzeit dauert am
Freitag von 14.00 bis 21.00 Uhr und am Samstag von 10.00 bis 16.00 Uhr.
Letzter Schliff für den Churer Röteli
Unter den vielen typischen Herbst- und Wintergerüchen wird am Churer
Weihnachtsmarkt auch ein ganz speziell churerischer herauszuschnuppern
sein. Jener des Röteli, dem wohl ureigensten Getränk Graubündens,
das seit bald einem Jahrhundert in Chur in der Drogerie Ullius beim Obertor
in der vierten Generation hergestellt wird. Das Rezept dazu, das 1912
in die Hände der Drogistenfamilie Ullius gelangte, wurde im Laufe
der Jahre durch Hans Ullius weiter verfeinert.
Der eigentliche Herstellungsprozess des Röteli - der in diesen Wochen
in die letzte Phase tritt - erstreckt sich über gut sechs Monate,
bis er im Spätherbst seine volle Reife erlangt. Zur Erstellung der
Gewürzessenz aus gedörrten Bergkirschen, Zimt, Vanillestangen,
Nelken und Kardamon gibt es zwei Methoden. Im ersten Fall werden die unzerkleinerten
Gewürze gemischt und mit den gedörrten Kirschen in Alkohol eingelegt,
bevor die gewünschte Tinktur abgefiltert wird. Der noch verbleibende
Rückstand wird zum Schluss in einer Handpresse ausgepresst. Im zweiten
Fall wird die schon pulverisierte Gewürzmischung rund zwei Wochen
lang in Alkohol mazeriert und dann abgepresst. In beiden Fällen wird
dem gewonnenen Extrakt der Saft gedörrter Bergkirschen, Alkohol,
Zuckersirup und Kirsch oder auch Heidelbeersaft hinzugefügt. Die
fertige Mischung wird mehrere Monate zur Reifung gelagert, bis der Likör
namens "Churer Röteli" nochmals filtriert, in Flaschen
abgefüllt, verkapselt und etikettiert in den Verkauf gelangt.
In vielen Bündner Gemeinden hat sich bis heute die Tradition erhalten,
mit dem Röteli zum Jahreswechsel anzustossen. So zieht die Jungmannschaft
vieler Dörfer am 31. Dezember und 1. Januar von Haus zu Haus, um
die Neujahrswünsche zu überbringen, wobei ihr mit einem Glas
Röteli gedankt wird. Längst hat der Röteli auch in der
Gastronomie Fuss gefasst und Köche benützen ihn u. a. als Zutat
für die Produktion feiner Desserts.
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