Ein Beispiel: Man beschliesse, einen Leserbrief zu schreiben, um
seinen Frust loszuwerden. Etwa zum Thema Meteo in der Tagesschau
des Schweizer Fernsehens. "Liebes Schweizer Fernsehen, welcher Idiot
ist eigentlich auf die Idee gekommen, vom Dach aus den Schweizern
das Wetter zu erklären? Das ist wieder so ein typisches Zürcher
Jetzt-Komm-Ich-Gehabe, weil die Zürcher sowieso meinen, der Nabel
der Welt zu sein. Da blendet man dann den ganzen Smog und Nebel
rund um das Hochhaus in die guten Schweizer Stuben, um allen die
Stimmung zu verderben. Und erst noch unserem Tourismus zu schaden."
Das Problem und der Stress beginnt nun bei der Frage, an wen man
den Leserbrief schicken soll. Die Zürcher drucken das womöglich
nicht, weil sie nicht wissen, was wir haben. Und die hiesigen Leser
sind sowieso gleicher Meinung. Damit wird aus diesem
Leserbrief nichts. Ein Schritt in Richtung Stressverzicht ist getan.
Der erste Vorsatz ist vom Tisch - ein Glücksfall für den Schreiber,
die Zeitung und den Leser.
Warum soll man sich auch selbst immer wieder unter Druck setzen,
wo das doch andere einem liebend gerne abnehmen? Indem sie Dich
beispielsweise zum Essen nach Hause einladen und Du schon wieder
überlegen musst, was für ein Geschenk angemessen ist und was bei
der unvermeidlichen Gegen- Einladung gekocht werden soll. Dabei
ist das Mitbringsel bestimmt das kleinere Übel. Bestimmt hat jeder
zu Hause so ein unnützes Geschenk, das er zum Zwecke der Weitergabe
und zum Schutz der Geschenkpackung nie geöffnet hat.
Richtig stressfrei wird es erst, wenn man auf sämtliche Einladungen
mit einer ausgewogenen Ausrede antwortet. An der Eröffnung des Benerparkes
kann man allerdings nicht fehlen und den Start des neuen Migros-
Einkaufscenters an der Gäuggelistrasse sollte man nicht verpassen.
Dazu kommt die Quaderüberbauung mit dem Coop, das Sauwetter verschlägt
uns in die neue Landi-Apotheke, und als zeremoniellen Pflichtstoff
haben wir auch noch Weihnachtsmarkt, zwei Verkaufssonntage, Samiklaus
und ACS-Beinwurschtabend.
Dabei wird alles teurer, nur die Ausreden werden billiger. Aber
etwas verpassen? Die Vorbereitung für die christlichen Feiertage
führen dann zur totalen Erschöpfung. Statt weiterhin nach einer
Ausrede zu suchen, schaut man einfach in den Spiegel und findet
letztere dort beim eigenen Anblick. Was aus dem Spiegel schaut,
läuft zurzeit unter dem Titel "Der Herr der Ringe". Aber schliesslich
hat sich der Versuch gelohnt. Es ist der Sieg der Vernunft über
die Untauglichkeit, neue Vorsätze einzuhalten.
Stefan
Bühler
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