Bekannt wird man heutzutage nicht durch Können,
man muss schon dafür sorgen, dass über einen geredet wird.
Die Funktion des Klatschkolumnisten fehlt leider bei uns, verlegerische
Ersatzhandlungen erweisen sich meist als untauglich. In einem Jahr
des Wahlkampfes ist es für Politiker besonders wichtig ins
Gerede zu kommen. Den wenigsten ist es in die Ehe gegeben. Nicht
alle haben eine Lea zu Hause, deren untrüglicher Instinkt für
peinliche Auftritte auch einem politisch Toten noch etwas Leben
einhaucht. Wer konnte schon wissen, dass mit dem vom Gatten vorausgesagten
Anschlag in Davos die Bombenidee der eigenen Gattin gemeint war?
Auf einem garantiert pelzfreien Kleidungsstück – ein
T-Shirt mit Schweizerkreuz – befanden sich auf dem Gang zur
Illustrierten mehr Promi-Fingerabdrücke als im Polizeiarchiv
von Fideris. So beginnt mit Klatsch, und man fragt sich unwillkürlich,
was diese Leuchte soll im Vaterland. Nach diesem Muster sind die
Chroniken der angekündigten Tode eben gestrickt. Das gilt auch
für die romanische Quotidiana, deren Totengräber jetzt
wenigstens bekannt sind. Deren gibt es gemäss der jüngsten
Klatschspalte viele, einzig die 89 zahlenden Abonnenten aus dem
Engadin kann man davon ausnehmen.
Unbedingt zu empfehlen ist im Wahljahr für alle Kandidaten
das Buch von Michael Graeter, dem bekanntesten Klatschkolumnisten
Deutschlands. In seinem Lexikon des Klatsches stellt er fest, dass
das lustvolle Gerede, meist über Abwesende und mit negativer
Tönung, grammatisch gesehen männlichen Geschlechts ist
– der Klatsch. Obwohl doch der Begriff eindeutig zur femininen
Wörterfamilie gehört: die Liebe, die Hiebe, die Intrige,
die Sünde, die Mätresse, die Schamhaftigkeit, die Bettdecke,
die Kleider und die Kerle. Es gibt keine Klatschkrise, wir erfahren
alles über Michelle Hunziker, dem schönsten Po Italiens,
über den Bohrer, den kein Schweizer mehr halten konnte, bis
zum Melser Joe Ackermann, der demnächst versuchen muss, als
exzellenter Sänger die Gerichte mit einer Verdi-Arie günstig
zu stimmen. Sonst könnte es ihm noch blühen, dass er den
Tresor bei der Deutschen Bank ganz mit seinem Tenor ersetzen muss.
Zurück zu Graeter: «Klatschgeschichten sind die Kaviar-Kanapees
des Wissens, und bekanntlich ist Wissen Macht.» Nichts wissen
macht auch nichts, sagen sich viele, und das ist falsch. Das richtige
Wort zum falschen Zeitpunkt birgt Zündstoff, deshalb brauchen
wir den Klatsch. Er ist der soziale Klebstoff, ein unsichtbares
Bindeglied der Menschheit, so überlebenswichtig wie das Atmen.
Und unentbehrlich vor Wahlen. Und Graeter stellt richtig fest: «Es
schmerzt, wenn keiner mehr mit einem klatscht. Aber es ist tödlich,
wenn keiner mehr über einen klatscht.
Stefan
Bühler
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