Wie gut sind Sie auf den Mai vorbereitet? Higa und 200-Jahr-Feier zur Kantonsverfassung, Grossratswahl, Kreisrichterwahl, Zukunft der Armee, autofreie Mieten und faire Sonntage, Strom, Behinderte, Lehrlinge und andere Kinderbetreuung, eine neue Kantonsverfassung, Proporz oder Majorz – es lebe die Demokratie, auch wenn sie zur Demokratur der allgemeinen Überforderungen mutiert. Winston Churchill hat das erkannt: «Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen.» Der politische Mai wäre ja angenehmer, wenn man uns alles liter- statt spaltenweise eintrichtern würde. So, wie es die Churer Freisinnigen und die Christdemokraten im Strassenkampf auf dem Postplatz versuchten. Solch gute Ansätze sind aber eher selten, nach wie vor bevorzugt wird die Hämmerleinmethode mit organisierten Leserbriefen.

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Stefan Bühler


Demokritisches

Dabei verhält sich die Demokratie wie eine funktionierende Ehe: Mann kann sagen, was man will, und tut dann doch, was einem gesagt wird. Zögern Sie trotzdem nicht, nehmen Sie den Stapel
«Dasmussichunbedingtnochlesen» in die Hand und arbeiten Sie sich durch. Beim Ausfüllen der Abstimmungszettel dann ja keine Unsicherheiten anmerken lassen, im Zweifel soll man einfach das Richtige tun. Bertold Brecht hat den Ja-Sager und den Nein-Sager als Bühnenstücke geschrieben und deutlich gemacht, dass Ja-Sagen einfacher ist. Wer die Lage immer wieder neu beurteilt, eine eigene Meinung bildet und im Einverständnis mit den anderen handelt – der muss halt auch Nein sagen. Auch dazu haben wir am 18. Mai vielfach Gelegenheit.
Trotz Bürden für das Stimmvolk und Hürden für die Kandidaten haben wir in diesem Mai eine einmalige Konstellation. Wir werden laufend 200 Jahre zurückversetzt und dürfen gleichzeitig ergraute Köpfe für die Zukunft wählen. Auch unsere neue Verfassung sieht
weder Altersguillotine noch Jobsharing vor. Vorbei die Zeiten, wo man politische Ämter in Teilen verkaufen konnte. So kostete einst der Viertelanteil am Podestatenamt in Tirano, das für die Jahre 1771 und 1772 Misox und Calanca zustand, 1400 Gulden. In neuerer Zeit gelten für solche Fälle Pelze oder zweistellige Autonummern als Zahlungsmittel.
Gemäss Bauernregel hätten die meisten Abstimmungsvorlagen sowieso keine Chance. Was der nicht kennt, frisst er nämlich nicht. Man gebe aber dem Staat seine Parlamentarier und eine neue Verfassung. Ganz im Sinne John F. Kennedys: Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern frage, was Du für Dein Land tun kannst. «Wenig, so wenig, als er ihm», heisst es bei P. C. Planta 1842. Was die Regierung im fernen Chur eigentlich macht, weiss der Bündner nicht, und dass sie überhaupt etwas zu tun hat, begreift er nicht. «Er meint, sie fresse bloss, und wenn es nach ihm ginge, so würde er sie gänzlich abschaffen.» Das allerdings sieht die neue Verfassung denn überhaupt nicht vor.
Alles andere ist aber politisch durchdacht und gut vorbereitet. So wissen wir heute schon, dass im Jahre 2014 das nächste Mal an einem 18. Mai eine Volksabstimmung stattfinden wird. Demokratie in der Schweiz ist schliesslich planbar. Der EU und der Nato bleiben nur mehr der autonome Nachvollzug schweizerischer Beschlüsse, wollen sie sich uns wirklich annähern. Bonaparte, von dem wir jetzt viel zu hören bekommen, sah unser Demokratie-Dilemma voraus: «Die Schweiz kann keine bedeutende Rolle mehr unter den Staaten Europas spielen …»

Stefan Bühler

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