Immer mehr bestens ausgebildete Köche, die
lange Jahre auf hohem Niveau anspruchsvolle Gäste verwöhnten,
suchen eine neue Herausforderung. Nicht etwa in einem Gourmetrestaurant,
sondern im Kloster, in der Schule, im Gefängnis oder in der Klinik.
Darunter bekannte Churer Köche.
Text: Karin Huber
Gross ist der Stress, klein die Lebensqualität. Wer eine überdurchschnittlich
gute Küche pflegt, ist stark gefordert. Davon kann etwa auch Arnold
Egli, der lange Jahre zusammen mit seiner Frau Elsbeth das Churer Restaurant
«Kornplatz» führte, ein Lied singen. «Und deshalb
fragt man sich irgendwann», erzählt Egli, «was denn im
Leben wirklich wichtig ist». Diese Frage gestellt hatte sich Egli,
als seine Frau gesundheitliche Probleme hatte. In der Folge beschlossen
sie, das «Kornplätzli», das sie in jahrelanger Arbeit
zu einer der besten Adressen in Chur machten, aufzugeben.
Heute verwöhnt Arnold Egli als Küchenchef in der Bündner
Frauenschule (neu: pädagogischen Fachhochschule) Auszubildende und
Lehrpersonal. Zusammen mit seinem Team kocht er die Mittagsmenüs
für rund 100 junge Frauen und LehrerInnen. Am Abend verpflegt er
ausserdem rund 30 bis 40 Auszubildende und am Morgen serviert er in der
Schulmensa manchen Schülerinnen gleich noch das Frühstück.
Pizzaschachteln sind verschwunden
Seine Prinzipien, schmackhaft, gut und gesund zu kochen, hat er mit dem
Wechsel vom «Kornplatz» in die Frauenschule nicht über
Bord geworfen. Trotzdem er nicht mehr auf dem bisherigen hohen Niveau
kochen kann, zaubert er Beachtliches auf die Teller. «Man kann auch
mit günstigeren Produkten gut kochen. Mein Stil hat sich deshalb
nicht geändert.» Jene, die sich in der Schulmensa verpflegen,
haben rasch gemerkt, dass hier einer kocht, der seinen Beruf liebt. «Jedenfalls»,
schmunzelt Egli, «finden sich in den Abfallcontainern kaum mehr
Pizzaschachteln …»
Arnold Egli gewinnt seinem neuen Job viel Gutes ab. «Vor allem habe
ich plötzlich viel mehr Zeit für mich und meine Frau.»
Seine neu gewonnenen Freiheiten und die damit verbundene Lebensqualität
weiss er zu schätzen. Doch findet er es immer noch ein bisschen ungewohnt,
oft schon am frühen Abend nach Hause gehen zu können. «Doch
jetzt kann ich endlich wieder einmal ein Buch lesen und viele andere Dinge
machen, für die ich so lange keine Zeit gefunden habe.»
Wer nun aber Eglis Kornplatz-Küche vermisst, kann sich dennoch freuen:
Denn in der Schulmensa können sich genau so auswärtige Gäste
preisgünstig verpflegen.
Stern-Koch verwöhnt Dominikanerinnen
Den Küchenherd im Romantik Hotel Stern in Chur hat seit kurzem Markus
Niehaus mit der Klosterküche vertauscht. Seine Kochkünste werden
im Institut St. Josef, dem Mutterhaus der Dominikanerinnen in Ilanz, ebenso
geschätzt wie im Churer Traditionshaus «Stern». Mit diesem
vielleicht ungewöhnlich anmutenden Wechsel hat Niehaus genau wie
Egli ganz andere, neue Werte entdeckt. Und geradeso wie Egli schätzt
Niehaus vor allem, dass er heute Zeit hat für seine Familie. Denn
wer in der Gastronomie arbeite, könne Job und Familie oft nur sehr
schwer unter einen Hut bringen.
«In einem gehobenen Gastronomiebetrieb ist man zudem gezwungen,
seine Mitarbeiter stark zu fordern. Mit der Zeit ist das frustrierend»,
erzählt Niehaus. Der Leistungsdruck sei gross, der Zeitmangel Normalzustand.
«Aber dennoch kommt die Liebe zur Arbeit und die Freude am Beruf
nicht zu kurz, auch wenn man irgendwie zu einer Nummer in einer Kochfabrik
wird», räumt er ein.
So verwundert es auch nicht, wenn Markus Niehaus freimütig eingesteht,
dass er sich «einmal pro Woche» in den «Stern»
oder in einen anderen à la Carte-Betrieb zurücksehnt. Denn
manches Mal fehlt ihm jetzt einfach die täglich Befriedigung».
Über dieser Sehnsucht vergisst er nicht, an die unglaublich vielen
Überstunden zu denken, die in einem Gastronomiebetrieb an der Tagesordnung
sind.
Dennoch: Seine neu gewonnene Lebensqualität schätzt er hoch
ein, gleichwohl er sich an die geregelten Arbeitszeiten im Kloster erst
einmal gewöhnen musste. Zusammen mit seinen zehn Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern bekocht er täglich rund 120 Schwestern, 50 bis 60
Schülerinnen und auswärtige Gäste, welche im Kloster Seminare
oder Kurse besuchen. «Sie alle schätzen die Qualität,
die wir bieten können.»
Als «Aussteiger» bezeichnet sich Niehaus und seine Kollegen
allerdings nicht. «Wir sehen einfach noch etwas anderes, sehen andere
Werte, wie etwa ein verbessertes soziales Umfeld.» Würde Niehaus
wechseln, wenn man ihm morgen einen Super-Job in der Gastronomie anbietet?
«Nein», kommt es wie aus der Pistole geschossen. «Mein
Ziel aber ist es, mich irgendwann einmal selbstständig zu machen.»
Neue Freiheiten im «Sennhof»
Hanspeter Krebs, den die Churer bestens aus seinen Zeiten im Restaurant
«Kasernenhöfli» und im Zivilschutzzentrum Meiersboden
kennen, wirkt jetzt bereits seit 51/2 Jahren als Küchenchef in der
Strafanstalt Sennhof in Chur. Krebs erinnert sich noch gut an die «alten
Zeiten»: «Ich habe während 20 Jahren gewirtet, ohne geregelte
Arbeitszeiten und mit umso mehr Stress. Zudem wollten meine Kinder nichts
von der Gastronomie wissen», begründet Krebs seinen damaligen
Wechsel.
An die geregelten Arbeitszeiten im «Sennhof» hat er sich längst
schon gewöhnt. Und ebenso an die neuen Freiheiten, die er in seinem
Job in der Strafanstalt gewonnen hat. Einfach ist es allerdings ganz und
gar nicht, in der Gefängnisküche eine so vielfältige «Kundschaft»
gesund zu bekochen. «Denn selbstverständlich nehmen wir Rücksicht
auf Vegetarier, Moslems und andere Religionszugehörigkeiten, auf
spezielle Essensphilosophien oder auf ärztlich verordnete Diäten.»
Mit Krebs als Küchenchef haben es die Insassen gut getroffen. Dennoch
erntet er selten Lob. «Wenn man nichts hört, waren sie zufrieden.
Sonst wird schon einmal geschimpft, was das Zeug hält», erzählt
er schmunzelnd. Dass er von den rund 45 Insassen kaum je einmal eine positive
Rückmeldung erhält, ist ein Punkt, an den er sich zuerst gewöhnen
musste. «Aber auch mit dem Gefühl des eingesperrt seins kämpfte
ich lange», sagt Krebs. «Heute aber fühle ich mich im
Sennhof wirklich wohl.» So wohl, dass er sogar noch die Aufseherschule
und Psychologiekurse besucht. Den Weg zurück in die Gastronomie erwägt
er daher nicht ernsthaft.
Ein Spitzenkoch im Beverin
Mit seiner hochstehenden Küche hat Sepp Mayer zuletzt in der «Gourmet-Stoiva»
des «Posthotels» in Valbella von sich reden gemacht. In die
Küche der Psychiatrischen Klinik Beverin in Cazis wechselte er vor
allem deshalb, weil im «Posthotel» das Konzept geändert
und Personal reduziert wurde. Zwar kocht Mayer ausgesprochen gerne im
«Beverin». «Das sind ganz neue Erfahrungen für
mich.» Doch sein Talent kommt hier zweifellos etwas zu kurz. Allerdings
profitieren die «Beveriner» nach wie vor von seinem grossen
Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Gourmet-Küche. «Aber so
kreativ und aufwändig wie in einem Gourmetrestaurant kann ich die
Teller natürlich nicht mehr präsentieren», erzählt
Sepp Mayer.
Was ihm indes an seinem neuen Wirkungsort in Cazis am meisten fehlt sind
die direkten Kontakte zu den Gästen. Dafür würde ihm jedoch
wohl auch die Zeit fehlen. Schliesslich werden in der Küche der Psychiatrischen
Klinik Beverin von der 16-köpfigen Küchencrew täglich rund
220 Essen zubereitet; etwa 120 für Patienten und rund 80 bis 100
für die Mitarbeiter. Der Tag beginnt für Sepp Mayer bereits
morgens um 6.00 Uhr. «Dafür kann ich oft schon um 15.00 Uhr
die Küchentüre hinter mir schliessen, falls nicht gerade ein
abendliches Bankett ansteht.»
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