Seit zehn Jahren existiert die Selbsthilfe-Einrichtung
Balikatan. Das Zentrum berät, unterstützt und fördert philippinische
Migrantinnen und deren Familien. Ein Rück- und Ausblick.
Text und Bild: Ursina Straub
«Wenn man jemanden braucht zum Reden, ist jemand da, der zuhört»,
erklärt Adora Fischer das Prinzip des Balikatan. Die gebürtige
Filipina lebt seit 25 Jahren in der Schweiz und ist eine der Mitgründerinnen
der Selbsthilfeeinrichtung Balikatan. Während eines Aufenthalts in
Barcelona hatte sie die Idee, ein Zentrum für Philippininnen und
deren Familien zu gründen. Wieder zurück in der Schweiz folgten
Taten: zusammen mit fünf Frauen des philippinischen Vereins kontaktierte
sie die
Caritas Graubünden, erhielt Unterstützung in Form eines Startfonds
und fand Räumlichkeiten an der Wagnergasse. Das war vor zehn Jahren.
Seither hat Balikatan sein Angebot stetig ausgebaut. Kern der Selbsthilfeorganisation
bleibt jedoch die Beratung und Unterstützung von Frauen. Ziel ist
es, deren Situation zu verbessern. Denn erstmal in der Schweiz angekommen,
sehen sich die ausländischen Frauen oft mit vielfältigen Problemen
konfrontiert. Neben den ganz alltäglichen Hürden – wie
Sitten und Kultur – müssen sich die
Filipinas in einer vollständig neuen persönlichen Situation
zurecht finden. «Auf den Philippinen», erläutert Adora
Fischer, «haben die Frauen viel zu sagen. Sie verwalten beispielsweise
das Geld der Familie. Hier in der Schweiz sind sie, vor allem am Anfang,
vollständig abhängig von ihrem Ehemann.»
Überlebenskünstlerinnen
Die meisten Filipinas haben ihre Ehemänner über Vermittlungsagenturen
gefunden. In Katalogen sind seitenweise heiratswillige Frauen aufgeführt,
der künftige Bräutigam wählt eine aus, zahlt das Ticket
in die Schweiz und eine mehrere Tausend Franken hohe Vermittlungsgebühr.
So sehen sich die künftigen Eheleute oft zum ersten Mal auf Schweizer
Boden. Sind beide mit der Heirat einverstanden, wird geheiratet. Lehnt
einer der Partner ab, fliegt die Filipina in ihre Heimat zurück.
«Für die Frauen», sagt Adora
Fischer, «ist klar: Sie wollen der Armut entfliehen.»
Die Erwartungen an die
philippinische Lebenspartnerin seien teilweise zu hoch gesteckt, beobachtete
Adora Fischer. «Die Kataloge vermitteln das Bild der pflegeleichten
und kinderlieben Filipina. Sobald die Frauen aber in der Schweiz sind,
merken
deren Ehemänner, dass wir nicht unbedingt pflegeleicht sind.
Ausbildung, Beratung, Kultur
Bis die Migrantinnen in der neuen Heimat Fuss gefasst haben, ist oft das
Balikatan die rettende Insel. So auch für Tessie Mittner, die seit
1991 in der Schweiz lebt: «Zu Anfang war es schon schwierig. Vor
allem wegen der Sprache. Das Balikatan war da wie ein Zuhause.»
Für die Frauen ist es oft schon eine Erleichterung, über ihre
Erfahrungen, Sorgen und Ängste in ihrer Muttersprache reden zu können
und unter Landsleuten zu sein.
Die Filipinas und ihre Familien erhalten im Balikatan am Münzweg
20, montags bis donnerstags von 14.00 bis 16.00 Uhr Beratung, Unterstützung
und Informationen. In gut besuchten Deutschkursen lernen sie die Landessprache.
Das Balikatan führt aber auch Musicals und Theaterstücke auf,
in denen die aktuellen politischen Ereignisse auf den Philippinen thematisiert
werden und in Ausstellungen wird auf die
Situation der Filipinas in der Schweiz aufmerksam gemacht.
Zusammenhalt durch alle Schichten
Balikatan bedeutet: jemandem seine Schulter zu geben, um
des andern Last zu teilen. Die gut funktionierende Zusammenarbeit durch
alle sozialen Schichten ist für Adora Fischer einer der schönsten
Erfolge. Sie hätten vielen Menschen helfen können, sagt die
Mitbegründerin von Balikatan, und auch bei Bündnerinnen und
Bündnern eine Sensibilisierung erreicht. Jetzt können sich die
Frauen der ersten Stunde etwas zurücklehnen, jüngere rücken
nach.
Nachhaltige Projekte
Bei allen Erfolgen ist sich Adora Fischer aber bewusst: «Was wir
hier machen, ist Symptombekämpfung. Wenn die Frauen in der Schweiz
sind, ist es zu spät.» Deshalb hat Balikatan damit begonnen,
nachhaltige Projekte im Heimatstaat zu unterstützen. So floss ein
Teil der am Churer Fest erwirtschafteten Gelder in den Bau einer Mehrzweckhalle
in einem philippinischen Dorf. In Zukunft möchte Balikatan weitere
solche Projekte unterstützen. Denn wer als die Filipinas selber wüsste
besser, was ihre Landsleute brauchen?
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