aus. Seit auch die Sozialdemokraten gemerkt haben,
dass es einen Unterschied zwischen Heiland-Sandalen und Prada gibt
und ein Krawattenknopf vor einem dicken Hals bewahrt, ist der Wiedererkennungswert
gesunken.
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit gab es die Quizfrage, was Ruth
Dreifuss mit ihren alten Kleidern macht. Die richtige Antwort lautete:
sie trägt sie. Heute muss das wenige, das man zum Abdecken
benötigt, mindestens so alt sein wie der Träger selbst.
Eine gültige Formel lautet: Je zahlreicher die Jahrringe, desto
kürzer der Rock. Das war früher nicht so, als in den Sechzigerjahren
die Strumpfbandgürtel verschwanden und die Feinstrumpfhosen
die Schamgrenze ver- schoben. Mary Quant wurde mit ihrem ersten
Minirock zum Schocker für die ältere Generation. Heute
schockt die ältere Generation die Jungen. Wenn einer noch immer
mit weissen Socken und Turnschuhen daherkommt, dann kann auch sein
weisser Stock nicht weit sein.
Sicher, gewisse Modetrends dürfen Alte und Junge mitmachen.
Ganz klar, für die Damen sind die Flipflops der grosse Renner,
seit man Julia Roberts und Winona Ryder damit gesehen hat. Letztere
hat sie vom Therapeuten geschenkt bekommen, damit sie nichts mehr
in den Schuhen verstecken und klauen kann. Besonders einschneidende
Erlebnisse haben die Models auf den Plakaten mit Strings von Sloggi.
Dann doch lieber Flipflops, die auch einschneiden, aber nur an den
Zehen.
Früher sorgte ein tiefer Ausschnitt am Kleid einer Frau oft
für einen tiefen Einschnitt im Leben eines Mannes. Heute braucht
man den Ausschnitt, um Platz zu schaffen für die Tatoos. Beliebt
sind jene mit Tiersymbolen. Da gibt es Drachen, die sich auf straffer
Haut entfalten. Da gibt es aber auch Haut, die sich schon in Falten
gelegt hat. Aus dem einst stolzen Drachen wird unweigerlich ein
afrikanischer Schrumpfkopf. Wobei man dann nicht mehr weit entfernt
ist vom Piercing, an welches man auf Schritt und Tritt schmerzlich
erinnert wird. Wie die Schrumpfköpfe kommt diese Mode aus Afrika,
wo neben dem Zeigfinger auch Holz und Knochen durch die Nase gebohrt
wurden. Zivilisiertes Piercen geht in Richtung Bauchnabel und Brustwarzen.
Man sah das Bauchnabelpiercing das erste Mal in Hawaii am Ende des
2. Weltkrieges, und Königin Victoria hatte angeblich gepiercte
Brustwarzen. Wer heute einen gepiercten Nabel hat, muss auch Bauch
zeigen. Meist mit Querstreifen (wer frisst denn heute noch Querstreifen?)
am T-Shirt über den Pirellis. Wegschauen muss man selbst.
Stefan
Bühler
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