Eine Stadt im Auf- und Umbruch

Chur ist in «Abänderung». Die Fussgängerzone in der Altstadt steht vor der Vollendung und im Zeitraum der nächsten fünf Jahre werden mit Investitionen von über 100 Millionen Franken Projekte realisiert, die unserer Stadt ein anderes Bild vermitteln, welche die Lebensqualität steigern und den Standort Chur als Wohn- und Arbeitsort aufwerten.

Text und Bilder: Walter Schmid


Es gab gar nicht so weit zurückliegende Zeitabschnitte, da lief in Chur wenig oder fast nichts. Von einer alten Provinzstadt mit verschlossenen Hinterwäldlern war damals die Rede, von wenig Attraktivität und einem stiefmütterlichen Kultur- und Unterhaltungsangebot. Diese Zeiten sind seit einigen Jahren endgültig vorbei. Keine Schweizerstadt in der Grösse von Chur bietet den Bewohnern eine solche Fülle von kulturellen Veranstaltungen und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Die «neue» Bedeutung des Standortes Chur zeigt sich auch in Investitionen von privater Seite, die sich jüngst in der Eröffnung von Grossbetrieben wie Quader-Center, Coop-City, H&M, Würth Holding, Erweiterung Migros Gäuggeli usw. manifestieren. Und wohl noch nie in der jüngeren Geschichte von Chur ist eine solch geballte Ladung von Projekten in so kurzer Zeit in Realisation, wie gegenwärtig.
Schuld daran sind nicht zuletzt die bereits vor Jahren auf politischer Ebene geschaffenen und weiterentwickelten positiven Rahmenbedingungen, die, dank der guten finanziellen Lage der Stadt, nun weitere Handlungsspielräume eröffnen. Und schlussendlich ist es die Bevölkerung, die den Segen für die
Investitionen gab – und noch
geben muss –, sowie «die allgemein gute Stimmung in der Öffentlichkeit», wie es Stadtpräsident Christian Boner ausdrückt.

Endspurt in der Altstadt
Was von der Churer Bevölkerung in Form eines Gesetzes
bereits im Jahre 1989 an der Volksabstimmung angenommen wurde, steht kurz vor der Vollendung: die Fussgängerzone in der Altstadt. Denn zwischen Frühling und Spätsommer 2004 wird die vorerst letzte Etappe der Fussgängerzone 3, der Kornplatz und die Verbindungen zur Poststrasse und in Richtung Grabenstrasse, gepflästert. «Damit wird ein wichtiger Meilenstein in Sachen Aufwertung der Altstadt endgültig gesetzt», erklärt Stadtrat Roland Tremp. Dass gleichzeitig auch sämtliche Werkleitungen und infrastrukturellen Anlagen im Untergrund der Fussgängerzone saniert wurden, ist nicht nur aus der Sicht des städtischen Bauamtes mehr als eine angenehme Nebenerscheinung.
Mit dem vorgesehenen Eröffnungs-Volksfest der Fussgängerzone 3 im Herbst 2004 ist jedoch noch nicht der letzte Pflasterstein gesetzt. Denn ausstehend ist noch die Klostergasse zwischen dem Nicolai-Trakt und dem Fontanapark. Letzterer ist – mit Ausnahme des Bereiches mit dem Fontanadenkmal – Eigentum der Graubündner Kantonalbank. Und diese erweitert
den Kundenbedürfnissen entsprechend in den nächsten zwei Jahren den Hauptsitz am Postplatz. Im Zuge dieser Bautätigkeit, mit Integration des Hauses Mahler an der Poststrasse (Abbruch und Neubau), wird der Fontanapark in Zusammenarbeit mit der Stadt, der Denkmalpflege und mit spezialisierten Gartenarchitekten neu gestaltet.
Einweihungstermin sowohl des neuen GKB-Gebäudes wie auch des Parks ist der Sommer 2006. Bis dann wird auch die Klostergasse gepflästert und die Nicolaigasse bis an die Grabenstrasse ihr endgültiges Aussehen erhalten.

Stadthaus und Park beim Untertor
Was Mitte September vom Gemeinderat bereits abgesegnet wurde, muss noch vor das Churer Stimmvolk, das am 19. Oktober über das Projekt Medienzentrum SRG und «Stadthaus» Untertor zu befinden hat. Wird dem für die Stadt rund 10 Mio. Franken teuren Gebäude zugestimmt, ziehen die Dienststellen noch in diesem Jahr in provisorische Räumlichkeiten um, damit die Vorbereitungen für den Abbruch des «alten Werkhofes» bis Ende Februar 2004 abgeschlossen sind. «Im neuen, bestens zugänglichen Stadthaus, mit Bushaltestelle und direktem Zugang zur Tiefgarage unter dem Quader-Center, werden ab Herbst 2005 vom Publikum vielbesuchte Dienststellen untergebracht sein», erklärt Stadtpräsident
Boner. Das sind das Einwohner- und Zivilstandsamt und die
Steuerverwaltung. «Rückkehrer» sind das Tiefbau-, Hochbau- und Vermessungsamt sowie der Gartenbau, dem neu das Bestattungsamt an die Seite gestellt wird.
Gleichzeitig mit dem Bau des SRG-Medienzentrums und des Stadthauses, wird der Parkplatz vor dem Stadttheater in eine öffentlich zugängliche Anlage umgestaltet. Da die Fläche dem Kanton gehört, ist vorgesehen, das Areals gegen Parkplätze in der Tiefgarage unter dem Coop umzutauschen. Voraussetzung für dieses «Geschäft» ist einzig noch, dass der Gemeinderat an seiner Sitzung vom 23. Oktober grünes Licht erteilt.

Zwischen Bahnhof und Alexanderplatz
Längst «aufgegleist» ist im Zuge des nationalen Konzeptes «Bahn 2000» der Ausbau des Churer Bahnhofs. Die Sanierung der bahntechnischen Anlagen ist weitgehend abgeschlossen und die neue Personenunterführung ist, mit einem provisorischen Aufgang beim Bahnhofplatz, seit Mai 2003 in Betrieb. Die Stadt beteiligte sich an dieser ersten Ausbauetappe mit 3,6 Mio. Franken. Wenn an der Abstimmung vom 30. November dieses Jahres das Volk den am 11. September durch den Gemeinderat gefällten Entscheid stützt, wird 2004 die rund vier Jahre dauernde Umgestaltung des Bahnhofplatzes an die Hand genommen. An den Gesamtkosten von rund 61 Mio. Franken beteiligt sich die Stadt Chur mit 20 Millionen. Das Projekt, das in der November-Ausgabe des Churer Magazins im Detail vorgestellt wird, beinhaltet im Wesentlichen eine Verlängerung des bestehenden Aufnahmegebäudes aus dem Jahre 1878 durch einen Annexbau, die Verlegung der Arosabahn direkt vor das Bahnhofgebäude, den Bau eines grosszügigen Busterminals, die Neugestaltung des Bahnhofplatzes und die Verlängerung der Personenunterführung mit Aufgang zur neu entstehenden Fussgängerzone. Diese erstreckt sich in einer Breite von rund 15 Metern und zirka 180 Metern Länge entlang der südlichen Gebäudefronten (Globus, Maron) und reicht in der Unteren Bahnhofstrasse bis zur Einmündung der Steinbockstrasse.
Integriert in diese Bauetappe ist die dringend nötige Sanierung der teilweise 100-jährigen Werkleitungen und Infrastrukturanlagen sowie des Mühlbaches im Untergrund der Alexanderstrasse. Durch die Änderung der Verkehrsführung auf dem Bahnhofplatz und dem Bau eines Parkhauses gegenüber dem Hotel ABC verkehren inskünftig die Busse wie auch Personenfahrzeuge im Gegenverkehr über die Alexanderstrasse – mit Folgen: Die Parkplätze werden aufgehoben. Der ganze Strassenzug wird neu gestaltet und der Alexanderplatz wird in einen Kreisel umgewandelt. Diese Massnahmen, die vor Baubeginn am Bahnhofplatz abgeschlossen sein müssen, ermöglichen laut Stadtpräsident Boner eine reibungslose Verkehrsabwicklung und bringen auch bezüglich Sicherheit eine Verbesserung. «Die Umgestaltung des Platzes ergibt mehr Raum für die angrenzenden Geschäfte und erhöht die Attraktivität der Umgebung durch weniger Verkehrsfläche und zusätzliche Grünfläche.»

Nicht bloss eine Vision
Die Umgestaltung des Alexanderplatzes lässt nach Meinung von Stadtrat Roland Tremp Optionen offen. Denn wenn ab 2008 der Bahnhofplatz und die untere Bahnhofstrasse frei vom Individualverkehr sind und die Altstadt den Fussgängern vorbehalten ist, bleibt das von Bussen sehr stark frequentierte Teilstück zwischen Alexander- und Postplatz bestehen. Den Bus-Knotenpunkt zwischen Manor und Kunstmuseum wolle man aber keinesfalls aufheben, da sonst die gesamte Altstadt vom Busnetz abgekoppelt würde. «Ich kann mir aber durchaus vorstellen», so Tremp, «dass wir vielleicht in wenigen Jahren versuchen werden, auch diesen Abschnitt aufzuwerten, in Richtung besseres Miteinander zwischen Fussgängern und öffentlichem Verkehr.» Seine Idee, die er zum jetzigen Zeitpunkt eine Vision nennt, geht noch weiter: Die Parkanlagen vor dem RhB-Hauptgebäude und vor dem Kunstmuseum öffnen und mit der entstehenden Anlage vor dem Stadttheater verbinden. Das aufwertende Resultat wäre eine für Fussgänger zugängliche und benutzbare Grünfläche inmitten des Zentrums von Chur.

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