Fritz Schiller aus Chur und seine Namensänderung

Text: Domenic Buchli


Wie hat er seinen Familiennamen gehasst. Dabei wäre der Name Schiller für viele mehr als profane Ehre gewesen. Er wurde ihm im Laufe der Jahre zur Bürde. Es wäre ja noch gegangen, dass man ihm mit dem Dichter-Poeten Friedrich Schiller in Verbindung gebracht hätte. Doch da gab es noch diesen besonderen Wein, den Schiller. Schlimm war’s deshalb, wenn Kollegen in der Beiz lautstark einen Schiller bestellten mit dem Zusatz: aber nicht einen so sauren wie der Fritz Schiller einer ist. Ach, wie lustig! Er konnte dies fast nicht ertragen. Genug wenn er in der Schule die Glocke aufzusagen hatte. Dabei fing alles, als die Familie in Chur Wohnsitz nahm, so harmlos an. Natürlich war der Name Schiller in Graubünden nicht allzu beliebt. Wie auch, wenn man Graubünden zum Eldorado der Gauner und Halunken erklärt. Nein, das war nun wirklich nicht nett vom Herrn Schiller aus Weimar. Den Urnern hatte er schliesslich mit dem Wilhelm Tell Weltliteratur beschert. Seine Räuber mit dem Graubünden als Malus hatten es deshalb auch schwer, hier als Schauspiel aufgeführt zu werden. Da hatte der Bertel Brecht schon mehr Pluspunkte und man inszenierte gar eine Uraufführung. Fritz Schiller hätte da rein gar nichts gegen den Familiennamen Brecht einzuwenden gehabt. Und doch, mit der Zeit ergab sich in Chur eine gewisse respektvolle Haltung dem Namen Schiller gegenüber. Der Tell schwebte dabei über allem und wo die Schweiz zu zählen hatte, musste das Bündnerland zurückstehen. Der Vater von Fritz war zudem ein geachteter Mann in der Stadt: Buchhalter und im Fischerverein gar Präsident. Sein Chef erwähnte nicht mit gehörigem Stolz Geschäftspartner und Kunden gegenüber oft und gerne; das wird durch unseren Schiller erledigt. Nur der arme Fritz musste so unter dem Namen leiden. Zum eigentlichen Höhepunkt in dieser Namensgeschichte kam es bei der Rekrutierung draussen in der Kaserne. Es war insgesamt auch ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Im einen war seine Familie erst gerade eingebürgert worden, Lutheraner waren als Reformierte noch akzeptiert. Doch weit mehr spielt da die zeitgebundene Tatsache, dass im nördlichen Nachbarland ein simpler Gefreiter aus Österreich Nachfolger des greisen von Hindenburg wurde. «Name?» Er stand dazu nur in Unterhosen bekleidet vor der Rekrutierungsbehörde. Mit seinem noch leichten deutschen Akzent fühlte er sich diesen Herren gegenüber vollends sogar ohne Unterhose. Korrekt, wie den Stellungspflichtigen eingebläut, meldete er seinen Namen im preussischen Kasernenton. «Mein Name ist Schiller». Da ging ein Grinsen über die am Tisch protzig hockenden Kahlschädel.
Einer stiess unter dem Gelächter der übrigen hervor: «Mein Name ist Heine, zu meiner Linken Goethe und zu meiner Rechten Eichendorff, oder wenn’s dem Herrn lieber ist: hier Herr Riesling und dort Herr Merlot.» Doch das Lachen war so rasch wie es gekommen war wieder weg. Mit eisigem Ton gab man dem unterhosebekleideten Schiller zu verstehen, dass man sie nicht für blöd zu verkaufen hätte, gefälligst. Das war nun die endgültige Stigmatisierung. Überall wo er nun hin ging wurde er mit Namen wie Jean Paul, Goethe, Hölderlin oder Bordeaux und Veltliner begrüsst. Die Eltern versuchten ihn zu therapieren. Sie verwiesen auf den Weimarer Poeten und fügten eifrig an, dass Hochwürden auf dem Hof den Churer Schiller zu seinen besten Tropfen aus seiner Weinkellerei zählte. Doch das erhoffte Selbstbewusstsein bei Fritz blieb aus. Betrat er die Veltlinerhalle, so dröhnte es aus der Ecke: einen Churer Schiller aber nicht einen Fritz Schiller. Nur noch in der Hofkellerei war er nicht in diesem Sinne bekannt. Bis dann, als die Wirtin ihn zu vorgerückter Stunde nach seinem Namen fragte. Nein, jetzt nicht, sagte sich Fritz. «Mein Name ist Bischof». Die Wirtin meinte daraufhin, dass sie vermutet habe, sein Name hätte was mit dem Hof und dem Bistum zu tun. Kaum gesagt, ging die Türe auf und schon erschallte durch die gotische Trinkstube der für Fritz so verhängnisvolle Bestellruf. Jetzt war es passiert. Er war auch hier entlarvt. Um der vollendeten Peinlichkeit zu entfliehen verliess er fluchtartig das Lokal, sein letztes diesbezüglich sicher scheinendes Refugium. Das war es wohl. Gleich am nächsten Tag reichte er bei der Regierung sein Namensänderungsgesuch ein. Doch, wir vermuten wohl zu recht, dass sein Schicksal damit kein Ende nehmen wird: Fritz Schiller aus Chur stellt das Gesuch um Namensänderung auf Fritz Sauser!

 

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