Smalltalk

«13 Jahre Schulbank drücken sind vorerst genug»
Martina Berther ist eine von vielen, die im Jubiläumsjahr «200 Jahre Bündner Kantonsschule» diesen Frühling die Maturaprüfung ablegen wird. Ihr Schwerpunktfach ist Biochemie, «ziemlich interessant aber auch recht anspruchsvoll», wie sie sagt. Als Ergänzungsfach hat sie Musik gewählt und spielt wohl als einzige Frau in Chur E-Bass. Bei einem Smalltalk im Café Leu am Lindenquai hat die 20-Jährige darüber geplaudert, weshalb ihre Reise nach der Kanti-Zeit zu einer Musikhochschule führen könnte – oder an eine Uni.

Text und Bild: Walter Schmid

«Ich komme nächstens sicher noch in Stress. Das merke ich an den Anforderungsblättern die jetzt ausgeteilt werden für die Maturaprüfung im Mai. Nicht gerade wenig Stoff. Aber irgendwie wird’s schon gehen, bis dahin habe ich die Kanti gut und eigentlich ohne Probleme durchgestanden. Plötzlich wird es vermutlich hinter mir sein. So plötzlich wie die letzten vier Kanti-Jahren, in denen mir nie langweilig geworden ist, verflogen sind. Aber jetzt, in der letzten Phase ist die Motivation schon ziemlich im Eimer. Immerhin hab ich ununterbrochen 13 Jahre lang die Schulbank gedrückt. Das reicht mir vorerst, weil es schlussendlich doch immer der gleiche Trott ist: In die Schule gehen, Aufgaben machen, Examen, in die Schule gehen, Aufgaben machen, Examen …
Um diesem Alltag ein wenig ausweichen zu können, habe ich als Ergänzungsfach Musik gewählt. Für dieses Hobby, das ich in der dritten Primar als Kornettspielerin in der Jugendmusik Chur begonnen habe, opfere ich seit Jahren fast die gesamte Freizeit. Sieben Jahre lang hab ich Kornett gespielt und dabei gedacht, das sei Musik. Im Nachhinein weiss ich, dass es nicht mein Instrument war. Die Ohren aufgegangen sind mir dann an einem Konzert von Hampa Rest am Churer Fest. Ich fand das total cool und wollte unbedingt Gitarre lernen. Und weil zur gleichen Zeit der E-Bassist der Jugendmusik altersbedingt ausschied, und ich den Unterschied zwischen einer E-Gitarre und einem E-Bass nicht kannte, hab ich sein Instrument übernommen. Da wurde mir bewusst, was Musik eigentlich ist. Der Elektro-Bass hat mein Leben verändert und mich in eine ganz andere und neue Richtung geführt, mit einer Mega-Perspektive, was die Musik anbetrifft – Jazz, Rock und Pop. Das Instrument hat mich auch in ein Umfeld gebracht, in dem ich mich wohl fühle. In der Jazz- und Rockszene herrscht eine völlig andere Lebenseinstellung als zum Beispiel in Sportkreisen, wo eher der Ehrgeiz oben ausschwingt. Dies habe ich während der Zeit als Leichtathletin und im Skisport jedenfalls so empfunden. In einer Band geht man gegenseitig auf sich ein. Nicht die Person ist die Beste, die einen Lauf möglichst schnell und perfekt spielen kann. Entscheidend ist, dass man Töne einbringt, die ins Feeling der Gruppe passen, dass man spielt was man fühlt und denkt, dass man Gedanken einbringt. Dieses Zusammen- und Wechselspiel gefällt mir allein darum schon, weil es nicht in einem sturen Schema abläuft. Davon habe ich in der Schule genug, wo man immer vorausdenken muss, jetzt mach ich das, dann das und dann dies. Diese Struktur braucht es beim Lernen sicher. Aber in der Musik möchte ich das möglichst vermeiden. Hier versuche ich Freiheiten zu geniessen, obwohl auch da nach gewissen Regeln vorgegangen wird. Oft werde ich von Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob es mich nicht angurkt, soviel Zeit für die Musik zu opfern. Aber für mich ist es eine Leidenschaft – Musik ist Leben.
Seit vier Jahren gehe ich in den E-Bass-Unterricht. Im Rahmen des Ergänzungsfaches nehme ich Schlagzeug-Stunden, um das Zusammenspiel unter den beiden Rhythmusinstrumenten besser verstehen und lernen zu können. Seit dem Herbst nehme ich auch Unterricht auf dem Kontrabass, um u. a. auch Einblick in die klassische Musik zu bekommen. Meine Lehrer arbeiten professionell und ich kann viel von ihnen profitieren. Ausser am Dienstag, wenn die Schule spät fertig ist, ist meine Freizeit mit Musik vollgepfercht: Unterricht, Proben mit verschiedenen Bands und Formationen wie zum Beispiel die Semi-Dixie-Band, die vom Musikschullehrer Robert Grossmann geleitet wird. Auch helfe ich gerne ab und zu bei der Musik Union, war bis vor kurzem in einem Projekt mit einer Zigeunerin dabei und manchmal stosse ich auch kurzfristig zu spontan zusammengewürfelten Gruppen, die auf einen Auftritt hinarbeiten. An Wochenenden sind dann vielfach Auftritte oder Konzertbesuche angesagt. Ob es mir einige Vorteile bringt, dass ich vermutlich die einzige E-Bassistin in Chur bin, weiss ich nicht. Entscheidender ist vermutlich eher, dass ich eigentlich immer etwas mache, an dem nicht schon Hunderte herumwerken, und dass ich dann das auch durchziehe. In der übrig bleibenden Zeit gehe ich meiner zweiten Leidenschaft nach. Schneesport. Von Telemark über Skwal bis zum Carven. Seit diesem Winter fahre ich Skicross. Ein Höllenspass, was allerdings wiederum 2-3 Kraftraumaufenthalte in der Woche fordert.
Was nach der Kanti kommt, weiss ich noch nicht genau. Auf jeden Fall werde ich ein Zwischenjahr einschalten. Das Zwischenjahr soll für mich dazu dienen, das zu tun was in den letzten vier Jahren zu kurz gekommen ist. Dazu gehört trotz allem die Musik, der Sport und eigenes Geld verdienen. Gerne würde ich im Sommer nach Neuseeland verreisen, um dort den Schnee zu geniessen. Um dies finanziell zu ermöglichen hoffe ich, einen temporären Job zu finden. Auch möchte ich mich musikalisch weiterbilden. Das Zwischenjahr soll auch dazu dienen, Abstand von der Schule zu gewinnen, um mit einem klaren Kopf herauszufinden, welche Richtung ich beruflich einschlagen möchte. Ein Musikstudium möchte ich dabei nicht ausschliessen. Allerdings bezweifle ich, dass ich bereit wäre so viele Stunden am Instrument zu üben. Musik ist für mich zwar eine Leidenschaft, allerdings bin ich in diesem Bereich nicht wirklich der Lerntyp. Deshalb werde ich in diesem Jahr auch bei Uni's vorbeischauen, weil ich glaube, das ich vom selbstständigen Arbeiten her der Typ für ein Studium wäre. Vielleicht wird mir das Zwischenjahr auch viele neue Erfahrungen und Interessen bringen, die mir einen anderen Weg zeigen.»


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