Von der bekannten Bündner Architektin Tilla Theus gibt es eine gute und eine gute Nachricht. Zuerst die Gute: Sie ist in den USA und in Zürich erfolgreich. In den USA hat sie im Sommer ihren Lebenspartner geheiratet und in Zürich den Architekturwettbewerb für den Umbau des Hauses zum Rechberg für Empfänge und gesellschaftliche Anlässe der Regierung gewonnen. Bei der Namensgebung hat sich die Tochter eines der bekanntesten Bündner Politiker allerdings etwas vergriffen. Der Fehlgriff erfolgte nicht beim eigenen Namen, den behält sie wei­terhin. Wohl aber bei der Namensgebung für ihren Architekturentwurf in Zürich.

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Stefan Bühler


Adlerhorst

Eingereicht wurde das Siegerprojekt unter dem Namen «Adlerhorst».

Damit hatte sie wohl nicht mit dem Geschichtsbewusstsein der Bevölkerung gerechnet. Mit dem Adler ist nämlich überhaupt nicht zu spas­sen. Adlerhorst war nämlich der Deckname von Hitlers Führerhauptquartier in der Nähe von Bad Nauheim. Zur Tarnung wurden die Betonwände der Hochbunker mit Bruchsteinen verkleidet. Architektonisch nicht gerade originell und genützt hat es Hitler überhaupt nicht. Die Amis jagten den Adlerhorst in die Luft.

Tilla Theus hat in dieser Situation das getan, was die Stärke einer klugen Frau ausmacht: Sie hat einen Fehler eingestanden. Sie habe einfach einen Ausdruck für die neuen Räumlichkeiten im Dachgeschoss gesucht und als Bündnerin, die mit Bergen und Natur vertraut sei, habe sie den Begriff gewählt ohne an die Assoziationen mit der national- sozialistischen Vergangenheit zu denken. Wir nehmen ihr das ab, ein zweites Mal wird das sicher nicht mehr vorkommen.

Dabei ist sie noch in guter Gesellschaft. Unter welchem Namen stellt das (deutsche) Magazin Schöner Wohnen im Oktober ein Jugendstilhaus am Zürichsee vor? Richtig: Als Adlerhorst.

Es stimmt ja, dass der Adlerhorst eigentlich das Nest eines Adlers bedeutet, das meist an unzugänglichen Stellen angebracht wird. Wohin fliegt denn ein schwuler Adler? Antwort: Zu seinem Horst. Das Erklettern zwecks Eierklau oder Jungvögeldiebstahl gilt ansonsten in der alpenländischen Volksliteratur als Beweis von Manneskraft und Mannesmut, nachzulesen bei Ludwig Ganghofer.

Einzug hat dieser Mannesmut sogar bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary gehalten. Der einzige Skispringer, den England je hervorgebracht hatte, nannte sich Eddie the Eagle. Der Adler als Schanzenclown mit geliehener Ausrüstung war nicht nur bescheuert, als schlechtester Skispinger aller Zeiten wurde er zum Medienstar und verdiente drei Millionen Pfund aus Werbegeldern. Damals aber, an den Olympischen Spielen, flog Eddie Edwards, der Adler, 55 Meter weit und lag 160 Punkte hinter dem Goldmedaillengewinner Matty Ny­känen aus Finnland.

Beide haben ihre Karriere auf ihre Art weiter gezogen. Nykänen als Saufheld und Messerstecher. Das Amtsgericht Tampere hat ihn kürzlich zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er einem Freund zweimal ein 13 Zentimeter langes Messer in den Rücken gerammt hatte. Und Eddie the Eagle mutierte vom Adler zum Pleitegeier: Er heiratete und machte Konkurs.

Nicht gerade an einer unzugänglichen Stelle betrieb in Chur Horst Salutt während zehn Jahren seinen Eagle Horst, nämlich am Regie­rungs­platz. Angeflogen wurde er allerdings von zu wenig Gästen, das Restaurant musste einem Einrich-tungshaus Platz machen. Horst’s Adlerhorst war wohl zu tief angesiedelt worden.

So hat der Adlerhorst schon manchen in Verlegenheit gebracht, nicht zuletzt den Bündner Journalisten Jürg Passarge, der eine Story über die Eröffnung eines neuen Churer «Kinderhorstes» schreiben wollte. Aus der Sicht seines «Alderhortes» heraus verständlich, sprachlich allerdings nicht ganz korrekt. Wie meinte doch Eddie the Eagle: «Zum Skispringen muss man geboren sein, denn wenn man nicht geboren ist, kann man auch nicht Skispringen.» Solch bestechende Logik gilt im über­tragenen Sinne auch für Journalisten.



Stefan Bühler

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