Zwei Monate Zivildienst bei der Städtischen Jugendarbeit Chur
Es ist Morgen. Noch ist es ruhig in den Räumen der städtischen Jugendarbeit Chur und ein weiterer Tag im Einsatz als Zivildienst-(«Zivi»)-leistender steht mir bevor. Zwei Monate und jede Menge neuer Erfahrungen werden es am Ende sein.
«Hey du Käs!», brüllt es am Nachmittag durch den Treff, lautstarke Diskussionen folgen am Töggelikasten, ob das Tor zählt oder nicht. Coolster Hip-Hop im Hintergrund und eisiger Wind weht durch die schon wieder offen stehende Türe. Alltägliche Szenen, welche ich hier erlebe und gelassen hinnehme. Niederschwellig ist das Angebot der städtischen Jugendarbeit Chur, das heisst, es ist freiwillig und es herrschen keine Zwänge. Und genau das ist ein Grund, weshalb ich mich für diesen Einsatzort während zwei Monaten entschieden habe. Als Lehrer an der Oberstufe arbeite ich normalerweise mit Jugendlichen, welche in die Schule gehen müssen und in dieser Zeit oftmals Dinge tun, für welche sie gar nicht motiviert sind. Und so habe ich die grossartige Möglichkeit, Teenager aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen und sie so ein wenig besser zu verstehen. Und obwohl ich erst 26 Jahre alt bin, merke ich, dass ich nicht mehr ganz «up to date» bin. Mit «Westside!» begrüsst mich ein eintretender Jugendlicher in vollfetten Wutang-Klamotten und ich fühle mich doch ein wenig bieder mit Jeans, T-Shirt und normalen Turnschuhen. Beim gemeinsamen Tischfussballspiel merke ich dann schnell, dass hinter der Fassade von starken Sprüchen und Markenklamotten auch das natürliche Bedürfnis von Gemeinsamkeit und Gespräch steht. Und für mich ist dies auch eine Bestätigung, dass ich bei der Wahl für meinen zweiten Berufsweg richtig liege. Ich möchte in näherer Zukunft die Fachhochschule für Soziale Arbeit absolvieren.
Arbeitsfelder
In rasanter Fahrt schlitteln wir die Albulapasstrasse hinunter Richtung Bergün. Wir, das sind zwei Mitarbeitende der städtischen Jugendarbeit mit einer Gruppe Jugendlicher, welche am Schlittelplausch vom 25. Dezember 2004 teilnehmen. Ungezwungene Gespräche über das Leben, Zukunftsängste, die Schwierigkeit beim Finden einer Lehrstelle und andere Themen, welche Teens in der Pubertät beschäftigen, werden geführt.
Die Begleitung von Projekten, wie dieses Spezial-Weihnachtsschlitteln, gehören ebenso zu meiner Zivi-Tätigkeit wie das Betreuen des Jugendtreffs und das Erledigen von Büroarbeiten.
Da Jugendarbeit wenig planbar ist, sich immer den Launen der Jugendlichen und der Gesellschaft anpassen muss, bedarf dies auch einer grossen Flexibilität und Geduld der Jugendarbeitenden. Glücklicherweise bin ich zu einem Team gestossen, welches diese Eigenschaften hat. Und ich kann davon profitieren. Es werden mir Freiheiten gestattet und ich darf eigene Ideen in die Tat umsetzen. So versuche ich, während einer Woche jeden Nachmittag im Treff ein Angebot auf die Beine zu stellen. Wir spielen Lotto, schauen einen Film auf Grossleinwand oder tragen ein Dartturnier aus. Erfolgsbarometer ist die Besucherzahl. Bei Angeboten, welche nicht «gelaufen» sind, wird nachher gemeinsam mit einem Jugendarbeiter/einer Jugendarbeiterin besprochen, wie ich meine Ideen weiterentwickeln kann.
Weiter geht’s…
Bald wird mein Zivildienst zu Ende sein und zurück geht’s in den Alltag. Mit einem Rucksack voll neuer Erfahrungen, Bekanntschaften und neuen Ideen werde ich zurückkehren in die Schule. Somit kann ich meinen Zivildiensteinsatz bei der Städtischen Jugendarbeit Chur einerseits als persönliche Weiterbildung und andererseits als Schnupperlehre für meinen weiteren Werdegang beschliessen. Es hat sich gelohnt…
(Forty Schwarz, Zivildienstleistender vom 29. November 2004 bis 5. Februar 2005)
Was ist Zivildienst?
Zu den Pflichten männlicher Schweizer Staatsbürger gehört, dass man Militärdienst oder als Alternative dazu Zivildienst – nicht zu verwechseln mit Zivilschutz – leistet. Diesen Dienst leisten Personen, die aus ethischen oder religiösen Gründen nicht der Armee beitreten wollen.
Um Zivildienst leisten zu dürfen, müssen diejenigen Personen ein Gesuch an die zentrale Dienststelle in Thun stellen. Wird das Gesuch gutgeheissen, wird eine Anhörung durchgeführt, bei welcher der Gesuchsteller ein zweites Mal begründen muss, warum er nicht Militärdienst leisten kann. Wird er als Zivi anerkannt, absolviert er die eineinhalbfache Dienstzeit eines Militärdienstleistenden. Im Maximalfall sind dies 390 Tage, welche aber in mehreren Zeitabschnitten absolviert werden können.
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