ENGADINER

Zwei Churer gleiten zum 36. Mal von Maloja nach Zuoz/S-chanf

Wenn am Sonntag, 13. März in Maloja zum 37. Engadin Skimarathon gestartet wird, sind rund zwei Dutzend Läufer mit von der Partie, die noch keinen Engadiner ausgelassen haben. Unter ihnen sind auch zwei Churer: der 67-jährige Nuot Grass und der 62-jährige Urs Zinsli.

15 Herren aus verschiedenen Engadiner Ortschaften versammelten sich am 14. November 1968 um 20.30 Uhr im Restaurant Des Alpes in St. Moritz-Bad. Sie diskutierten erstmals über die Durchführung eines Langlaufrennens von Maloja nach S-chanf. Initiant war der St. Moritzer Sporthändler und ehemalige Skirennfahrer Albert Scheuing. Nur fünf Monate später, am 16. März 1969, standen 46 Frauen und 783 Männer am Start in Maloja zur Premiere des Engadin Marathon.

Start bei der Elite
Dass heuer die 37. Austragung ansteht – eine konnte wegen Tauwetter nicht durchgeführt werden – glaubte damals wohl keiner der Organisatoren, Läuferinnen und Läufer. Auch Urs Zinsli nicht. «Der Langlaufboom war erst im Entstehen und niemand konnte voraussagen, wie sich das entwickeln würde.» Auch Nuot Grass war dazumal gleicher Meinung, obwohl er mit den schmalen Brettern und den langen Stöcken durch die Teilnahme an Gebirgsdivisionsmeisterschaften bereits vertraut war. «Ich hab dann erfahren, dass ein Marathon organisiert wird.» In Silvaplana wohnhaft und tätig sei er einen Monat lang alle zwei bis drei Tage nach Maloja und zurück gelaufen und habe so eine einigermassen gute Kondition aufgebaut. Zinslis Teilnahme am Ersten war eher zufällig. «Mein Bruder, ein guter Langläufer, hat vom Marathon erzählt und mich einfach angemeldet.» Von der Leichtathletik her habe er zwar eine gute Konstitution mitgebracht, aber an der Ausdauer habe es gehapert. «Ich stand erst 2 bis 3 Monate auf den Langlaufskis, entsprechend hart waren die 42 Kilometer und am Abend war ich schon ziemlich verbraucht.»
Fortan bestand das Ziel der beiden darin, in einer Zeit den Marathon zu absolvieren, die sie zum Start in der Elite berechtigte. «Bis etwa 1995», so Grass, «hab ich es immer ins vorderste Feld geschafft». Damals war Nuot Grass 57-jährig. Jetzt habe er einfach vor Augen, ins Ziel zu kommen. «Auch wenn am anderen Tag die 42 Kilometer noch in den Beinen stecken, ist das eine grosse Genugtuung, die schon mit dem Training den ganzen Winter durch beginnt.» Man fühle sich jung, weil man etwas geleistet habe. «Wenn man gesund ist und das Glück vom Herrgott hat weiter Sport zu treiben, dann reuen mich die 80 Franken Startgeld auch in den kommenden Jahren nicht.»
Die Beharrlichkeit, regelmässig – aber nicht verbissen – Trainingseinheiten zu absolvieren, hat sich auch bei Urs Zinsli ausbezahlt. Bis heute habe er den Startplatz in der Elite halten können, erzählt der 62-jährige. Er trainiert einmal pro Woche um die Grundkondition zu halten und die Technik nicht zu verlieren, «denn», so Zinsli, «Skating wird mit zunehmendem Alter nicht einfacher.»
Grass und Zinsli haben natürlich die ganze Entwicklung im Langlaufsport miterlebt – materialmässig von den schweren Holzskis bis zu den heutigen leichten Bienenwabenkonstruktionen.
Auch im Laufstil ist nichts mehr wie früher. Bis Anfang der 80er Jahre schwang der klassische Stil obenauf. Dann kam der schnelle Sitonen-Schritt und wenig später die noch schnellere Skating-Technik. An zwei mühsame Rennen erinnert sich Zinsli: «Vorne sprinteten die Skater und zerstörten die Spur für die nachfolgenden Klassischen.»

Vorfreude der Jubilare
Durch die Skating-Technik, so Nuot Grass, sei der Engadiner erst zu einem wirklichen Breitensportanlass geworden. «Und es fällt auf, dass viele ältere Leute diesen Laufstil noch lernen, um am Engadiner mitzumachen. Das Geheimnis liegt sicher darin, dass man dadurch ringer läuft, dass es wunderschön ist, sich so in der Natur zu bewegen und dass dabei alle Körpermuskeln aktiv beteiligt sind.» «Dazu kommt», so Zinsli, «dass das Profil des Engadiners und die Pistenpräparierung geradezu prädestiniert sind für den Skating-Stil.» Trotzdem: Urs Zinsli wird in diesem Jahr wahrscheinlich zum letzten Mal am Engadiner teilnehmen. «Nicht wegen einem negativen Erlebnis, aber irgendwie hab ich das jetzt erlebt.» Ein gewisses Kribbeln sei verflogen. «Vielleicht, weil das einst spannende Wachsprozedere kurz vor dem Start mit dem Skaten zur Nebensache geworden ist.» An den Start geht Zinsli, obwohl er eliteberechtigt wäre, in der hintersten Reihe, «als Begleiter meines 30-jährigen Sohnes, der erstmals dabei ist.»
Die Vorfreude der beiden «alten Hasen» ist auf einen weiteren Anlass gerichtet: auf das Treffen der Jubilare jeweils am Freitag vor dem Marathon. «Dann gibt’s ein Nachtessen mit dem Engadiner-OK», freut sich Nuot Grass. «Man plaudert über vergangene Läufe und sieht auch, wie man in die Jahre gekommen ist.» Zudem sei es ein Privileg der Jubilare, so Zinsli, sich kurz vor dem Start im Palace in Maloja noch mit Kaffee und Gipfeli zu verköstigen.
Los geht’s für rund 12000 Langläuferinnen und Langläufer zum 37. Engadin Skimarathon am 13. März ab 8.40 Uhr in vier Blocks. Die beiden gestandenen Churer sind fast unübersehbar. Nuot Grass trägt die Jubilaren-Nummer 30002 und Urs Zinsli die 20004. Ihnen ist entlang der Strecke und im Ziel besonderer Applaus der Zaungäste gewiss.

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