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Stefan Bühler

Et cetera

Seit der Wahl des neuen Papstes ist eines klar: Ohne Latein geht heute nichts mehr. Annuntio vobis gaudium magnum: habemus Papam. Auch jene Kinder, die gar nicht wussten, dass eine Familie nicht nur aus Kinderhort und einer allein erziehenden Mutter bestehen kann, wissen jetzt, dass es auch für sie irgendwo auf der Welt einen Papi gibt. Das schöne an der lateinischen Sprache ist, dass man sie auch grosszügig übersetzen kann, weil das eh niemand kontrolliert.

Latein ist lebendig wie nie zuvor, vor allem in den Leserbriefen. Schon wieder ein Titel «Quo vadis, Stadt Chur?» und der Leser fragt sich unweigerlich, weshalb die Stadt irgendwo hingehen sollte. «Ich brauch’ Tapetenwechsel, sprach die Birke» von der Hildegard Knef. Wir wissen, wie das herauskommen kann. Jedenfalls endet die flügge gewordene Birke als Kommode.

Wir machen uns demnach ernsthaft Sorgen um Chur und sind froh, dass die Stadt es trotz aller Quo vadis? so lange hier ausgehalten hat.

Auch wenn auffällt, dass so mancher Leserbriefschreiber nach dem glücklich gesetzten Titel mit seinem Latein am Ende ist und auch auf Deutsch nichts zu sagen hat, warum erkennt die Schule nicht das Potential dieser Sprache, weshalb wird der Unterricht laufend ausgehöhlt?

Non scholae, sed vitae discimus, nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir, sagte auch der ehemalige Kantirektor Hans Meuli. Also empfing er die Scholasten in der ersten Lateinstunde mit einem Donnerwetter ohnegleichen. Und das nur, weil die Knaben sich gegen die Mädchen durchgesetzt hatten und die ersten Sitzplätze eroberten. Die ganze Klasse also wieder raus auf den Korridor, den Damen den Vortritt gewähren und dann als Herr der Schöpfung noch nehmen, was übrig bleibt. Diese Lektion ist immerhin haften geblieben, was vom Rest des Lateinunterrichtes nicht unbedingt gesagt werden kann.

Statt Lateinisch Knigge lernen – minima de malis. Das kleinere Übel war dann schon das obligate Amen am Schluss der Mathematikaufgabe mit dem Q.E.D. Quod erat demonstrandum diente aber eher der Selbstbestätigung, bewiesen war damit noch lange nicht, dass die Aufgabe richtig gelöst war. Mathelehrer Hartmann (Nomen est omen) hatte dafür ein eigenes Kürzel: EHE (Errare humanum est). Irren ist männlich oder so ähnlich. Statt eines Gaudeamus igitur gab es dann ein Alea iacta est, und wenn die Würfel gefallen waren, bedeutete das ein neues Jahr mit letztjährigem Unterrichtsstoff.

Das Carpe diem muss ja nicht immer Leitbild sein, man kann auch den Tag nützen, ohne ständig ein summa cum laude anzustreben. Hauptsache, das Latein begleitet uns durch den Alltag. Wer unfähig ist, im Ablativ und im Vocativ Schönheit zu erkennen, findet nie heraus, weshalb ein sächliches Virus ihm Spam-Mails schickt und wo der Hund begraben ist. Cave canem mag auf dem Türvorleger stehen, Hannibal ante portas beim ADSL-Anschluss bedeutet schlicht und einfach, dass ein nächstes Virus anklopft.

Ceterum censeo – im übrigen meine ich, Frühenglisch in Ehren, Spät-Latein nützt mehr. Nicht erst, seit der Papstwahl, schon beim nächsten Restaurantbesuch. De gustibus non est disputandum, nur in vino veritas. Drum wäre besser, der Kolumnist beendet mit den Worten des Lateiners den Exkurs: Si tacuisses, philosophus mansisses. Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philoshoph geblieben. Sic!

Stefan Bühler

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