Gsait isch gsait
Frauen schwärmen für das Bündnerische, Berndeutsch
mögen eigentlich alle, und die Thurgauer haben es schwer. Dies ist
das Ergebnis eines Dialekt-Rankings der NZZ am Sonntag, die ein paar Studien
durch den Fleischwolf presste und das neue Gemisch als Rangliste der Beliebigkeit
für die Beliebtheit der Dialekte publizierte. Dass Berndeutsch auf
den ersten Rang kommt, haben wir demnach Mani Matter oder Adolf Ogi zu
verdanken. Von Matter kennen wir die schönen Dialekt-Balladen, von
Ogi wissen wir nicht, ob er hochdeutsch überhaupt kann. Sicher, er
hätte es in der Sekundarschule schon gelernt, wäre ihm die RS
nicht dazwischen gekommen. Ob er aber deswegen als Sympathieträger
für Berndeutsch taugt?
Bündner Dialekt auf Rang 2, St. Galler auf Rang 9. Zurückzuführen
ist dies angeblich auf die Ausstrahlung eines Zarli Carigiet (positiv)
und Kurt Furgler (negativ). Das Ranking stützt sich auf Personen
ab, die entweder unsympathisch oder nicht sympathisch sind. So rutschen
die Zürcher wegen Jürg Marquard auf Rang 7 ab, und die Thurgauer
landen ganz im Keller, weil deren Männer gerne Autos tunen. Dabei
wäre es an der Zeit, das hohe Lied der Dialekte für alle Regionen
zu singen. Die Rätoromanen haben schon lange gelernt, wie man alles
unter einen Hut bringt. Wenn sie etwa, wie Flurin Caviezel, romanisch
träumen mit deutschen Untertiteln und sich noch wundern, dass der
Traum vorbei ist, bevor Rumantsch Grischun simultan eingeblendet wird.
«Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache an» –
das sagte nicht Hansmartin Schmid, als er sein breites Churerdeutsch in
mikrophontaugliches Fernsehhochdeutsch transponierte, nein, das sagte
Johann Wolfgang von Goethe schon viel früher. Der Dichterfürst
schreibt in seiner Autobiografie «Dichtung und Wahrheit »:
«Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das
Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft.»
So können wir also getrost aus dem Vollen schöpfen. Wir dürfen
die Felsberger wieder Pellaröhrli nennen, genauso wie Hans Gmür
heute ohne Drohungen wiederholen könnte, was er einst am Fernsehen
sagte: Dass die Emser keine Sprache haben, sondern eher eine Halskrankheit.
Bis zur Spitze getrieben hat das kürzlich einer, der aus deutschen
Landen kommt, in Chur sein Umfeld hat und in Mels seinen Wohnsitz, nämlich
der JoJo-Fussballtrainer von Togo, Otto Pfister. Er strafte die Reporter
ab, indem er auf dumme deutsche Fragen dumme Antworten gab, dies aber
auf französisch oder englisch. Inhaltlich kam das zwar aufs selbe
heraus, verstanden hat ihn trotzdem keiner. Denn in Ottos Trainerposten
hört sich alles gleich an, in welcher Sprache und Dialekt er auch
immer nichts sagt.
Zurück zu den Sprachwurzeln also, Dialektiker sind wieder gefragt.
Oscar Eckhardt, der Churer Kantilehrer, hat mit seinen zwei Büchlein
«Gsait isch gsait» mit Glossa und Täggscht uf Khuurertütsch
den Weg gewiesen. Andere haben es schon vor ihm versucht. «Am Hitsch
sini Mainig» war lange Zeit eine Bündner Mundartglosse im Nebelspalter,
und Schweizer Dialektfilme gehörten in den Sechzigerjahren zum Besten
dieses Genres, abgesehen von allen anderen Filmen. Immerhin hat Zarli
Carigiet zusammen mit dem Churer Gion Janett mit der Radiosendung «Vater,
isch’s wahr?» im Radio jeden Samstag für den Sympathieexport
jenes Dialektes gesorgt, der jetzt auf Rang 2 gelandet ist. Die beiden
haben aber auch im Film von Kurt Früh 1962 «Es Dach überm
Kopf» als Balz Caduff und Sohn Sepp Caduff für das Bild des
knorrigen, unterstützungsbedürftigen Berglers gesorgt.
Dialekt war einst Bestandteil der geistigen Landesverteidigung, die Gotthelf-
Verfilmungen der fünfziger Jahre boten Zuflucht vor den Gefahren
des Kalten Krieges und die Verunsicherung durch die Hochkonjunktur. Und
heute? Heute nimmt uns die in Dialekt vorgetragene Wetterprognose die
Angst vor der Globalisierung und die Silbermedaille im NZZ-Ranking die
Angst vor den Zürchern.