Prost
Alkohol kann niemals die Antwort sein. Er hilft aber, die Fragen zu vergessen. Kein junger Komasäufer, vielmehr der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat es am G8-Gipfel vorgemacht. Atemlos, Schluckauf und eine bizzare Mimik, verbunden mit unkontrolliertem Lachen zu Beginn einer Pressekonferenz legen den Verdacht nahe, dass er zuvor bei seinem Treffen mit Putin nicht nur Wasser getrunken hat. Oder wenn, zusammen mit Wodka. Sarko hat ja so recht. Gott wollte gar nicht, dass wir nur Wasser trinken, sonst hätte er wohl kaum 85 Prozent davon versalzen.
Im französischen Fernsehen – nicht das erste Mal ein Schweigekartell mit vorauseilendem Gehorsam – wurde die fröhliche Sequenz nicht gezeigt. Das war schon bei Mitterand so, dessen fleischgewordener Seitensprung jahrlang unter der Decke gehalten wurde, auf welcher er die uneheliche Tochter gezeugt hatte. Geht heute nicht mehr. Sarko als gallischer Jelzin haben über 10 Millionen User auf dem Internet gesehen. Andere Länder, andere Mediensitten: Im deutschen Radio hörte man schon in den Sechzigerjahren die Leber von Franz Josef Strauss applaudieren, wenn er das nächste Mass bestellte, und auf BBC erfuhr man, wie Winston Churchill jeden Morgen seinen Whisky mit Wasser verdünnte, in den USA bekam man mit, wie der besoffene Reagan den Telefonhörer nicht mehr abnehmen konnte und an Jelzins Tanzeinlagen erinnern wir uns alle gerne.
Vielleicht glaubte der Tessiner CVPStänderat Filippo Lombardi auch, dass ihm niemand etwas anhaben könnte, als er alkoholisiert mit dem Wagen verunfallte oder die Auflagezahlen des «Giornale der Populo» manipulierte. Als Chef des Tessiner Privatsenders «TeleTicino» kann er sich teilweise auf das Gesetz des Schweigens bei den Medien verlassen. Auch wenn es nur ein Gerücht ist, dass Lombardi sich mit einem Churer Verlegerkollegen traf, bevor er die Herrschaft über sich, seinen Wagen und seinen politischen Verstand verlor. In den USA macht nur der Zellenaufenthalt von Paris Hilton Schlagzeilen, die infolge wenig Ausweis, dafür mehr Promille in den Knast wanderte. Was sie dort erwartete, konnte für sie keine Überraschung sein. Sie konsultiert oft genug ihren Taschenspiegel und weiss deshalb, was eine Einerzelle ist.
Leid tun einem schon eher jene Mutter und ihr Ex aus Virginia, die beide 27 Monate ins Gefängnis müssen, weil sie Bier für die Party ihres 16- jährigen Sohnes gekauft haben. Sie wollten ja nur verhindern, dass die Alcopops-Goofen Stärkeres kaufen. Hilfe statt Repression. Früher bekam man vom Vater einen Aschenbecher an den Kopf, wenn man besoffen nach Hause kam. Wer raucht aber heute noch?
«Du bist gar nicht betrunken, solange du auf dem Boden liegen kannst, ohne dich festzuhalten», sagte Dean Martin. Das erinnert stark an jenen Bündner Ständerat, der von kräftigen Kollegen weit nach Mitternacht von seinem Liegeplatz unter dem Biertisch ins Hotelbett verfrachtet wurde. Zu seinen Ehren sei’s gesagt: Punkt 8 Uhr war er wieder präsent in der Kleinen Kammer, als ob nichts geschehen wäre. Einer halt wie Winston Churchill, zu dem Lady Astor sagte: «Sir, wenn Sie mein Ehemann wären, würde ich Ihren Drink vergiften.» Antwortete Winston: «Madam, wenn Sie meine Ehefrau wären, würde ich ihn trinken.»
Es gibt sie noch heute, die Politiker, die gerne einen kübeln. Schädelfluten bis zur Komagrenze, nennt sich das. Sie wissen aber meistens, wie viel Alkohol sie dann noch zu sich nehmen dürfen, bis die 0,5 Promille- Grenze erreicht ist: Zwei Wochen keinen mehr. So verabschieden wir uns heute aus der Kneipe mit der immer wieder fröhlichen Frage: «Haben wir eigentlich alles getrunken, was wir bezahlt haben?»