Nationalfeier
Es gibt im Hinblick auf den 1. August,
dem schweizerischen Nationalfeiertag,
zwei undankbare Jobs:
einen Referenten suchen oder selbst
Referent sein. Die Ausgangslage ist
halt nicht immer so günstig wie in
diesem Jahr auf dem Rütli, wo sich
für einmal die Suche nach einer Rednerin
erübrigt, weil sich diese bereits
selbst eingeladen hat.
Die Schweiz kann sich glücklich
schätzen, dass die Feier am 1. August
stattfindet. Sie eignet sich damit
vor allem als Touristenattraktion.
Andere Länder wollen das auch,
müssen dazu aber etwas Geschichtsklitterung
betreiben.
Der Britische Nationalfeiertag etwa
ist der offizielle Geburtstag der Monarchin
am 17. Juni, dabei wurde Königin
Elisabeth im Monat April geboren.
Sonst ist es bei Frauen so, dass
man zwar ihr Alter vergessen darf,
nie aber ihren Geburtstag. Elisabeth
mag’s umgekehrt. Die Hoffnung,
dass es bei den Feierlichkeiten dank
der Datumsverschiebung weniger
regnet, bleibt unerfüllt. England ist
weiterhin gestraft mit Porridge, Camilla
und dem Wetter.
Die Franzosen haben für den 14. Juli
keinen touristischen Hintergedanken.
Es ist ja kaum anzunehmen, dass die
Schweizer Söldner, die am 14. Juli
1789 beim Sturm auf die Bastille
Widerstand leisteten, vom Verkehrsverein
angestellt waren. Im Gegensatz
zu heute, wo die gleiche Berufsgattung
den Vatikan bewacht.
Bei den Italienern ist entgegen der
weit verbreiten Meinung nicht der
Ferragosto am 15. August Nationalfeiertag,
sondern immer noch der Tag
der Befreiung am 25. April. Dabei
wäre Ferragosto als wärmster Tag des
Sommers geradezu ideal. Schon Kaiser
Augustus verordnete, dass dieser
Tag sowohl für die Römer wie auch für
die Sklaven arbeitsfrei ist. Damit ist
dieser Wendetag des Sommers heute
der älteste noch begangene Feiertag.
Die Italiener haben aus dem einen
Feiertag eine ganze Ferienperiode gemacht.
Daran kommt keiner vorbei,
auch nicht an den verstopften Strassen
und den überhöhten Preisen. Einzig
die Sklaven, die arbeiten wieder.
Schwieriger war es für die Deutschen,
einen gemeinsamen Feiertag nach
der Wende zu finden. Der Tag des
Mauerfalls, ein 9. November, fiel mit
der Reichspogromnacht von 1938 zusammen.
Das wäre dann wiederum
Krawall-Anlass für Ewiggestrige gewesen.
So, wie wir das vom Rütli her
ja schon kennen – jener bekannten
mit Kuhfladen übersäten Wiese in der
Urschweiz. Deutschland hat sich für
den 3. Oktober als Tag der Deutschen
Einheit entschieden.
Die Schweizer können sich auf den
Bundesbrief von 1291 berufen, wo es
heisst: «Actum anno domini M CC
Lxxxx primo incipiente mense Augusto ». Also «ungefähr» anfangs August.
Dabei ist der Bundesbrief keineswegs
die Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft,
sondern einfach eine Akte
zur Gründung eines Beistandspaktes,
wie es viele gab. Bedeutsam war er
nicht, sonst hätte man ihn nicht jahrhunderte
lang vergessen und verloren.
Erst 1758 tauchte er in einem
Schwyzer Archiv wieder auf.
Für Festredner wie Christoph Mörgeli
im kommenden Jahr ein gefundenes
Thema: «250 Jahre Wiederentdeckung
Bundesbrief». Mit dem
Kaufangebot von 1 Mio. Fr. wollte
Nationalrat Mörgeli letztes Jahr verhindern,
dass der Bundesbrief für
eine Ausstellung in den USA zum ersten
Mal ins Ausland reiste. Weil der
Regierungsrat des Kantons Schwyz
aber nicht verkaufte, wäre das Jubiläum
ein guter Anlass für den zweiten
Pfeil in Mörgelis Köcher.
Redner zum 1. August sollten ansonsten
nicht Politiker, sondern Touristikfachleute
sein. Samnaun hat
das erkannt, verzichtet auf die Stoibers
und Geisslers und holt Hausmannkost
aus dem Bündner Tourismusbüro.
Es ist immer besser,
ungefähr richtig zu liegen als komplett
falsch.