Ruhe sanft
Inschrift auf einem Grabstein im Tirol: «Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang.» Ein gelungenes Beispiel für eine Kurzfassung. Einfach ist es nämlich gar nicht, das Leben eines Verstorbenen in wenigen Zeilen zusammenzufassen. In England hatte man schon im 17. Jahrhundert damit begonnen, bei uns hat sich diese Form der Friedhofskultur erst später entwickelt. Leider sind die Inschriften nach und nach wieder verschwunden, die ordnungswütige Obrigkeit lässt es kaum mehr zu, dass die Grabsteine Botschaften über den Tod hinaus vermitteln. In Chur wurde es sogar verboten, die Zeichnungen eines verstorbenen Kindes auf dem Grabstein zu verewigen. Dass Inschriften auf Grabsteinen Wunschgedanken enthalten, die durchaus mehrheitsfähig sind, zeigt jener von Carl Julius Weber: «Hier liegen meine Gebeine, ich wollt es wären Deine».
Hans Senn hat mit seinem Buch «Ruhe sanft! Ungehaltene Trauerreden » fiktiv aufgezeigt, was man auf dem Friedhof auch sagen könnte. Schwarzer Humor zwischen Buchdeckeln, das geht gerade noch durch. Humoristische Inschriften auf Grabsteinen hingegen sind gewöhnungsbedürftig. Obwohl an mancher Beerdigung mehr gelacht wird als an Hochzeiten.
Bei Kramsach im Tirol gibt es einen lustigen Friedhof, auf dem Kunstschmiedearbeiten, alte Grabmäler und Grabkreuze ausgestellt werden, die manchen zum Schmunzeln bringen. Wenn es etwa heisst: «Hier ruht der Brugger von Leichteithen, er starb an einem Blasenleiden. Er war schon je ein schlechter Brunzer, drum bet für ihn ein Vaterunser.» Eine andere Diagnose im Nachbargrab lässt genau so tief blicken. «Hier ruht der liebe Arzt, Herr Frumm, und die er heilte ringsherum.»
Dass der Beruf Anregung für einen Grabspruch gibt, liegt auf der Hand. So könnte ja beim Zahnarzt stehen: «Hier füllt er sein letztes Loch.», oder beim Anwalt: «Wer andern keine Grube gräbt, fällt selbst hinein.», und bei der Putzfrau: «Sie kehrt nie wieder.» Grundsätzlich muss man aber Peter Sellers Recht geben, wenn er sagt: «Liest man die Inschriften auf dem Friedhof, fragt man sich unwillkürlich, wo denn eigentlich die Schurken begraben liegen.» Es gibt trotzdem Ausnahmen. Deutliche Worte etwa nach dem Tod eines Organisten: «Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug.»
Ansonsten gilt das lateinische Wort, das auf Chilon von Sparta zurückgeht: De mortuis nil nisi bene, von den Toten rede nur gut. Bösartigkeiten werden von den Lebenden verbreitet, wie folgende Zwiesprache zeigt. Er: Wenn du stirbst, besorge ich dir einen Grabstein mit der Inschrift: «Hier liegt meine Frau – kalt wie immer». Sie: Und wenn du stirbst, stelle ich dir einen Grabstein hin worauf steht: «Hier liegt mein Mann – endlich steif». Es ist nicht bekannt, ob das Vorhaben auch umgesetzt wurde. Verbürgt ist aber der Grabstein mit dem folgenden Text: «Hier ruht mein teures Weib in dieser Grabeshöhle. Wir waren oft ein Leib, aber niemals eine Seele.»
Peter Urban aus dem Tirol hatte ein sehr schlimmes Weib, mit welchem er bis zum Lebensende in Streit lag. Auf ihr Grabkreuz liess er folgende Inschrift setzen: «Hier liegt mein Weib, Gott sei's gedankt. Bis in das Grab hat sie gezankt. Lauf, lieber Leser, schnell von hier, sonst steht sie auf und rauft mit dir.» Dagegen vermittelt eine andere Inschrift toleranten Trost: «Weine nicht, lieber Mann, nimm dir eine and're an.»
An unfreiwilligem Humor fehlt es natürlich auch nicht, wenn man liest: «Hier ruht die ehr- und tugendsame Jungfrau Genovefa Roggenhuberin, betrauert von ihrem einzigen Sohne.» Oder «Hier starb Maria Weigl, Mutter und Näherin von 2 Kindern.» Es gab offenbar Zeiten, da bekamen die Jungfrauen Kinder, während andere solche nähen mussten.